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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Initiationsritus getötet, der ihm Zugang zum harten Kern der Revolution der Tiere verschaffte? Auch bei der Sicherheitspolizei hielt man diese Theorie für nicht besonders wahrscheinlich, aber immerhin für möglich, und man war genau wie ich der Ansicht, es sei ein merkwürdiger Zufall, dass das RdT-Mitglied Harri Immonen vor genau einem Jahr an derselben Stelle ums Leben gekommen war wie Jiri Merivaaras Vater. Wir stritten eine Weile darüber, wer Jiri im Fall Harri Immonen vernehmen sollte. Zum Glück konnte ich den Hickhack unterbrechen, weil Riikka Merivaaras Vernehmung anstand.
    Koivu wartete mit verdrossener Miene im Besprechungsraum.
    »Ein Anruf vom kriminaltechnischen Labor. Das Glas von der Taschenlampe ist nicht identisch mit den Splittern in Juha Merivaaras Kopfwunde, die Form kommt auch nicht hin. Die Lampe war nicht die Tatwaffe.«
    »Wär ja auch zu schön gewesen«, seufzte ich. »Sonst noch was?«
    »Der Fingerabdruck auf dem Kragenspiegel an Merivaaras Jacke stammt von seiner Frau. An der Jacke selbst wurden Fasern von Mikke Sjöbergs Pullover gefunden, aber die sind möglicherweise erst später haften geblieben, als er seinen Bruder aus dem Wasser gezogen hat.«
    »Verdammter Mist«, schimpfte ich vor mich hin. Nirgends ein Fortschritt.
    »Schlecht gelaunt?«, erkundigte sich Koivu, als wir die Treppe zu den Vernehmungsräumen erreicht hatten.
    »Du hast doch sicher auch keine Lust auf die Befragung beim Kriminalamt.«
    »Wieso nicht? Ist doch gut, wenn wir Ström loswerden. Letzten Winter haben wir alle darum gebetet, dass du nur ja nicht Erziehungsurlaub nimmst oder gleich noch ein zweites Kind kriegst. Anu hat bestimmt am inständigsten gebetet, obwohl sie noch nie mit dir zusammengearbeitet hatte.«
    »Ist sie Christin?«
    »Was?« Er sah mich verdutzt an, dann fiel der Groschen.
    »Anu? Weiß ich nicht. Über so was haben wir nicht geredet.«
    »Vielleicht ist der buddhistische Hochzeitsritus ganz interessant. Oder ist ihre Familie taoistisch? Sie stammt doch ursprünglich aus China.«
    »Maria!« Koivu gab sich alle Mühe, mich strafend anzusehen.
    »Anu ist echt interessant. Sie kommt aus einer Kultur, in der die Frauen schweigen müssen, und ist trotzdem Polizistin …« Er verstummte, denn Tapio Holma und Riikka Merivaara standen wartend auf dem Hur.
    Holma hatte Riikka also begleitet. Vielleicht meinte er, das Polizeipräsidium sei zu beklemmend für sie. Oder wollte er sie unter Kontrolle halten?
    »Du kannst hier warten oder irgendwo einen Kaffee trinken«, sagte ich zu ihm. »Es wird mindestens eine Stunde dauern.«
    »Darf Tapsa nicht mitkommen?« Riikka rang die Hände wie eine Sopranistin bei einer hochdramatischen Arie.
    »Riikka hat doch das Recht auf einen Beistand bei der Vernehmung«, setzte Holma hinzu.
    »Wer selbst zu den Verdächtigen gehört, kommt dafür nicht in Betracht«, sagte ich entschieden, und Holma gab klein bei. Er blieb auf dem Flur zurück, als wir den Vernehmungsraum betraten.
    Riikka beantwortete die einleitenden Routinefragen verkrampft und immer wieder schluckend, als wäre eine polizeiliche Vernehmung der reine Horror. Für ein unbescholtenes, schüchternes Mädchen mochte die Situation tatsächlich beängstigend sein, doch sie erlebte sie ja nicht zum ersten Mal.
    Wir gingen die Ereignisse auf Rödskär noch einmal durch, wobei ich zu der Überzeugung kam, dass sie nicht die Täterin sein konnte. Physisch wäre sie zwar imstande gewesen, einen Menschen zu erschlagen – ihr großer, schlanker Körper wirkte durchtrainiert –, aber sie hätte keinesfalls die seelische Kraft gehabt, eine solche Tat zu verheimlichen.
    »Mutter arbeitet wie verrückt. Das hätte Vater so gewollt, sagt sie. Die Herbstbestellungen müssen ausgeliefert werden.«
    »Wie gut bist du über die Merivaara AG informiert? Wer steht hinter dem Anteilseigner Mare Nostrum?«
    Riikka zuckte mit den Schultern. Sie wisse es nicht, habe den Namen nie gehört. Geschäftliche Dinge interessierten sie nicht, sie wolle nur singen.
    »Aber nun erbst du die Hälfte der Aktien deines Vaters. Da wirst du dich schon für die Firma interessieren müssen. Und warst du nicht diejenige, die deinen Vater dazu gebracht hat, sich für Umweltfragen zu engagieren und die Geschäftsidee der Merivaara AG zu ändern?«
    Aus irgendeinem Grund errötete sie.
    »Ganz so war es nicht. Gegen seinen Willen ließ mein Vater sich für nichts begeistern. Mutter behauptet zwar, als ich Vegetarierin wurde und so weiter,

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