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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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ein gutes Herz bewahrt zu haben. Oder vielleicht hatte auch das eine zum anderen geführt und er hatte durch die vielen Grausamkeiten, die er erlebt hatte, gelernt auch für die geringste Freundlichkeit dankbar zu sein. 
    Da sie nun satt und ausgeruht waren und ihnen die Zeit davonlief, standen sie auf und setzten ihre Reise fort. Mumpo war jetzt in sehr viel besserer Stimmung und so wanderten sie mit neuer Entschlossenheit und neuem Zusammengehörigkeitsgefühl auf den Überresten des Großen Weges auf die Berge zu. 
    Der Weg verlief zwar ziemlich gerade, stieg jedoch stetig an, da sie die Ausläufer der Bergkette vor ihnen erklommen. Nach und nach wurden die Bäume auf beiden Seiten des Weges höher und standen dichter zusammen, und als die Sonne sank, wurden die Schatten um die Kinder herum immer dunkler. Zwischen den Bäumen begannen sie huschende Gestalten und funkelnde Augen zu sehen oder sich solche einzubilden. Sie blieben dicht beieinander und gingen schneller, doch die Gestalten schienen weiterhin neben ihnen her zu springen, immer gerade außer Sichtweite. 
    In der Dämmerung wurde ihnen klar, dass sie mindestens eine Nacht im Wald verbringen mussten. Sie wanderten weiter, schauten sich aber nach einem geeigneten Schlafplatz um. Mumpo wurde müde und interessierte sich wenig dafür, wo er sich hinlegen konnte, es sollte nur möglichst bald so weit sein. 
    »Wie war’s hier? Hier ist es doch gut.« 
    »Was ist daran gut?« 
    »Dann zwischen diesen großen Bäumen.« 
    »Nein, Mumpo. Wir brauchen einen Platz, wo man uns nicht sieht.« 
    »Wieso? Wer sucht uns denn?« 
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich niemand.« 
    Trotzdem wurde Mumpo nervös, er zuckte immer wieder zusammen und blickte sich um. Einmal sah er etwas zwischen den Bäumen, oder er glaubte etwas zu sehen, und begann panisch im Kreis herumzurennen. Bowman musste ihn einfangen und festhalten, bis er sich wieder beruhigt hatte. 
    »Ist ja gut, Mumpo.« 
    »Ich hab Augen gesehen, die uns beobachten! Ehrlich!« 
    »Ja, ich hab sie auch gesehen. Deshalb müssen wir gut auf Kess aufpassen, wem auch immer die Augen gehören.« 
    »Ja, du hast Recht, Bo.« Er wurde sofort ruhiger. »Kess ist meine Freundin.« 
    Er spähte noch immer nervös in den Wald, doch wenn er jetzt eine huschende Gestalt bemerkte, schüttelte er die Faust und rief: »Einen Schritt näher und du kriegst eins auf die Nase!« 
    So schleppten sie sich weiter durch die Dämmerung, um eine möglichst große Strecke zurückzulegen, bevor es dunkel wurde. Und gerade als sie beschlossen hatten, dass sie nun Halt machen wollten, ganz gleich ob sie nun einen guten Schlafplatz gefunden hatten oder nicht, sahen sie vor sich zwei hohe Steinsäulen zwischen den Bäumen aufragen. 
    Die Säulen standen rechts und links vom Großen Weg vor einer Steinbrücke, die über eine Schlucht führte. In etwa zweihundert Metern Entfernung ragten auf der anderen Seite der Schlucht zwei weitere Säulen auf. Die Brücke war verfallen, nur ihre Brüstungen führten noch, auf zwei Reihen riesiger Steinbögen ruhend, über die Schlucht. Der mittlere Teil der Brücke mit dem eigentlichen Weg fehlte ganz. Wie hatten diese Bögen ohne den Halt, den sie sich früher einmal gegenseitig gegeben hatten, nur stehen bleiben können? Die Schlucht, über die diese Brücke geschlagen worden war, klaffte unglaublich tief. 
    Die drei Kinder blieben neben den Säulen stehen und blickten in den Abgrund. Vor ihnen fiel das felsige Gelände in steilen Stufen ab, tiefer und tiefer, bis in die Schatten der Dämmerung hinab zu einein Fluss am Grund der Schlucht. Das Wasser glitzerte zwischen den beiden mittleren Bögen, die der Brücke Halt gaben. Höher als jede Klippe ragte die andere, von Rissen und Brüchen gefurchte Seite des Abgrunds vor ihnen auf. In den Felsspalten wuchsen Gras und kümmerliche Sträucher. Rechts und links von den Kindern zog sich der zerklüftete Rand der Schlucht durch den Wald, so weit das Auge reichte. 
    »Riss-im-Land«, stellte Kestrel fest. 
    Es gab keinen anderen Weg über die Kluft, nur diese Brücke, und je länger sich die Kinder die Brücke anschauten, desto weniger wollten sie einen Fuß darauf setzen. 
    »Sie bröckelt«, sagte Bowman. »Sie wird uns nicht halten.« 
    Verwittert von hundert Wintern, war das Mauerwerk rissig geworden und abgebröckelt und die Überreste wirkten morsch und trügerisch. Nur die beiden Brüstungen, offensichtlich aus einem härteren Stein

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