Der Winterpalast
Musketenkugeln. Graf Poniatowski stand neben ihm. Seine Kleidung war in warmen Braun- und Rosttönen gehalten, sein elegantes Jackett mit Gold gesprenkelt. Die beiden drehten sich nach der Großfürstin um. Zwei Gesichter, das eine pockennarbig und erhitzt, das andere schön und gelassen.
Graf Poniatowski verneigte sich. Der Großfürst wedelte mit der Hand zum Zeichen, dass wir nähertreten sollten. Das Fräulein starrte auf den Boden.
Ich fragte mich im Stillen, was Peter mehr freute: der unerwartete Besuch, den er, seinem triumphierenden Grinsen nach zu urteilen, für eine Demonstration ehefraulicher Verbundenheit hielt, oder der offenkundige Ärger des Fräuleins .
Katharina wandte sich an den Grafen.
»Mein Mann sagt, dass Sie immer höchst amüsante Geschichten zu erzählen haben.«
»Ich versuche mein Bestes, ihn nicht zu langweilen.« Graf Poniatowski verbeugte sich wieder.
Der Großfürst lachte glucksend. »Erzählen Sie ihr mal, wie das mit dem maire von Paris war.«
Offenbar war das nicht die erste Unterhaltung dieser Art. Die Stimme des Grafen hatte etwas amüsiert Nachsichtiges; er wollte dem Hausherrn gern den Gefallen tun, auch wenn er sich wiederholen musste. Seine Hand unterstrich seine Worte mit schwungvollen Gesten.
Der Bürgermeister von Paris, auf dem Kopf eine rosafarbene Haube, hatte ihn in einen Raum geführt, wo etliche Nachttöpfe nebeneinander aufgereiht standen, jeder halbvoll mit Sand. Während sie plauderten, hatte sich der Mann alle paar Minuten entschuldigt und versucht, sich zu erleichtern, jedes Mal in einen anderen Nachttopf.
Der Graf wurde mit fröhlichem Gelächter belohnt. Das ist der Charme eines Fremden, der in der Welt herumgekommen ist, dachte ich. Er weiß angenehm zu erzählen, streut dazwischen Komplimente ein, rühmt die russische Herzlichkeit und die russische Gastfreundschaft, die Pracht und Herrlichkeit von Sankt Petersburg, die Schönheit der russischen Frauen.
Eine Stunde verging wie im Flug. Die Augustsonne färbte die dunkel getäfelten Wände golden; von den Gärten wehte der Rauch von brennenden Zweigen.
Katharina nahm das Fräulein entschlossen beim Arm und schlug einen Spaziergang durch den Garten vor. Sie wollte Graf Poniatowski ihre neue Voliere zeigen. Sie hatte ein Paar chinesische Fasane, Wachteln und allerlei Wildvögel, die man im Lauf des Sommers in Fallen gefangen hatte, Drosseln, Elstern, Pirole.
Der Großfürst ignorierte das Flehen in den Augen des Fräuleins . »Geht nur«, sagte er, »ich habe sie schon gesehen.«
Auch ich schloss mich dem Spaziergang nicht an. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mit dem Großfürsten unter vier Augen zu sprechen.
Am folgenden Tag in Peterhof versicherte ich der Kaiserin, dass es in Zukunft keine Klagen über die preußischen Truppen geben werde. Mein Erfolg beruhte auf einer sehr simplen Erkenntnis: Die Bediensteten des Großfürsten waren nicht zuletzt deswegen so schlecht auf die Holsteiner Truppen zu sprechen, weil es eine Menge Arbeit machte, all diese Leute zu verpflegen, und sie für diese zusätzliche Mühe nicht entlohnt wurden. Sobald der Großfürst zugesagt hatte, dieses Übel zu beheben, legte sich die patriotische Empörung der Dienstboten, und sie bedienten »die Preußen« von da an ohne Murren.
Die Kaiserin war zufrieden.
Sie fragte nicht nach Katharina, und ich erwähnte sie und den polnischen Gast nicht. Ich hatte es eilig, nach Sankt Petersburg zurückzukehren. Der provisorische Palast war immer noch weitgehend unbewohnt, und mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Darja dort nur Mascha und die Dienerschaft zur Gesellschaft hatte.
Mitte August kam Igor zum ersten Mal, seit er seinen neuen Posten angetreten hatte, auf Urlaub nach Sankt Petersburg. Er war magerer und ruhiger geworden und wirkte mehr wie ein Gast in der neuen Wohnung als wie der Hausherr.
Durch die Fenster drangen die Geräusche der Straße, Hufgetrappel, das Rattern von Rädern auf dem Pflaster, die Rufe von Händlern, die ihre Ware anpriesen. Die nackten Holzböden rochen nach Harz und knarzten unter jedem Schritt.
Igor strich mit den Fingern über die Bretterwand unseres kleinen Wohnzimmers, klopfte dagegen, um zu hören, wie dick sie war.
»Es ist nur für ein Jahr«, sagte ich. »Es ist kein richtiges Zuhause.«
»Immer noch besser als die Unterkünfte der Soldaten.«
Ich sah, wie seine Kiefermuskeln sich anspannten.
Den ganzen Tag lang wich Darja nicht von Igors Seite, wollte all seine
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