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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Kleider vom Teppich auf, eine zweite versuchte die Vorhänge enger zuzuziehen.
    »Wo ist meine Frisierkommode aus Rosenholz, Warwara?«, schrie Elisabeth. »Schaff sie her, sofort!«
    Es hatte keinen Sinn, ihr die Sache erklären zu wollen.
    Ich schickte Diener auf den Dachboden, wo die Kommode stand. Ich winkte den verängstigen Zofen, zu verschwinden.
    Ich redete von guten Vorzeichen. Neugeborene Kätzchen, zunehmender Mond, ein vierblättriges Kleeblatt. Man hatte den Kuckuck rufen hören, zwanzigmal, das bedeutete, dass ihr noch volle zwanzig Lebensjahre vergönnt waren. Ich sprach mit sanft beruhigender Stimme. Nebenan im Kinderzimmer greinte Paul. Man sagte, das Kind sei sehr schreckhaft und wache oft mitten in der Nacht schreiend auf.
     
    Sir Charles Hanbury-Williams kam häufig in den Palast an der Großen Perspektivstraße. Wie erwartet waren die Wellen des Kriegs, den England und Frankreich in ihren Kolonien austrugen, bis nach Europa geschwappt und sorgten dort für Unruhen. Alte Konflikte brachen wieder auf, neue Allianzen entstanden. Der britische Gesandte, unterstützt von Bestuschew, versuchte ein Bündnis zwischen England und Russland zustande zu bringen, die pro-französischen Schuwalows taten alles, um es zu verhindern.
    Wie immer entspann sich ein Kampf, in dem es darum ging, Elisabeth auf diese oder jene Seite zu ziehen, ein Kampf, in dem alle Mittel erlaubt waren. Jede Partei schickte immer neue Verfechter ihrer Interessen in die Schlacht, alle wohl versehen mit Schmeicheleien und Geschenken, alle mit dem Ziel, Elisabeth zu beeinflussen. Obwohl ich nur eine sehr untergeordnete Position innehatte, war es doch eine in der unmittelbaren Nähe der Kaiserin, und so wurde auch ich umworben. Zu Maschas Entzücken bekam ich eine Menge Geschenke, Körbe mit Delikatessen, Parfüm, feine Handschuhe und Straußenfedern, Spitzen und bunte Bänder – das alles, damit ich diesen Leuten den Weg zur Kaiserin ebnete, ihnen einen Wink gab, wenn die Gelegenheit günstig war oder wenn es sich empfahl, zu warten.
    Sir Charles schmeichelte der Kaiserin schamlos, gab sich hingerissen von ihrer Schönheit, schmachtete sie an, zitierte ihre Worte, die er unvergleichlich geistreich nannte.
    Sie ließ sich alle seine Komplimente nur allzu gerne gefallen.
    Die Spezialität von Sir Charles war Klatsch von allen europäischen Höfen, an denen er gewesen war, und er wucherte mit diesem Kapital. Ich hörte ihn etwa versichern, dass Berlin im Vergleich zu Sankt Petersburg bloß ein armseliges Nest sei. Wenn man die vierzehntausend Soldaten, die dort in Garnison lägen, abzöge, wäre die preußische Hauptstadt praktisch menschenleer. Und von der Schönheit der russischen Frauen könne man dort nur träumen – die Preußinnen seien alle dürr wie Zaunlatten.
    Die Jagden, die der polnische König veranstaltete, waren jämmerlich. »Sitzjagden« nannte sie Sir Charles. Man schaffte in Käfigen gefangene Wildschweine, Wölfe und Bären in den Wald, wo man sie freiließ, damit der König und seine Gäste sie in aller Bequemlichkeit abschießen konnten. »Man spürt das Wild nicht auf, man hetzt es nicht, es gibt keinerlei Nervenkitzel. Euer Majestät würden sich zu Tode langweilen.«
    Einmal war ich dabei, als sie über England redeten. Elisabeth war überzeugt, dass die russische Armee in vierzehn Tagen von Sankt Petersburg bis nach London marschieren könnte. Sie brauchte es nur zu befehlen.
    »Ohne jeden Zweifel«, sagte Sir Charles und verneigte sich tief. Er machte sie nicht darauf aufmerksam, dass in diesem besonderen Fall vielleicht die schlichte Existenz des Ärmelkanals dem kaiserlichen Willen entgegenstehen könnte.
    Im Anschluss an eine dieser Audienzen bemerkte ich einmal ihm gegenüber, er verstehe es ganz ausgezeichnet, die Kaiserin angenehm zu unterhalten.
    »Ich bemühe mich, ihr zu gefallen, Madame Malikina«, antwortete er und zwinkerte mir zu. »Allerdings wäre es mir gar nicht recht, wenn die Kaiserin allzu genau nachfragte, an wessen Wohlwollen mir am meisten gelegen ist.«
    Ich stutzte.
    »Entschuldigen Sie, dass ich so direkt bin, Madame«, fuhr er
fort, »aber es ist mir nicht entgangen, wie ergeben Sie der Großfürstin sind.«
    »Auch ich bemühe mich, zu gefallen«, erwiderte ich, ohne eine Miene zu verziehen.
    Sein pausbäckiges Mondgesicht strahlte, all die feinen Lachfältchen um die Augen herum glätteten sich. Er erinnerte mich an einen Lausbuben, der irgendeinen Streich plant. »Dann haben wir

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