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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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mit dem Bildnis ihres Vater wie eine Trophäe in der rechten Hand, der weiße nackte Körper sanft gerundet, im Haar rosa Blüten.
    Zwei Kinder Seite an Seite.
    Würde sie Paul zu ihrem Nachfolger erklären?, fragte ich mich. Würde sie Peter übergehen?
     
    Nachts, wenn die Kaiserin nicht einschlafen konnte, ließ sie mich zu sich kommen.
    Ich wusste nie, wann sie mich rufen würde, darum schlief ich in meinen Kleidern, das Korsett gelockert, das Mieder halb geöffnet.
    »Wo hast du gesteckt?«, fuhr die Kaiserin mich an, auch wenn ich mich noch so sehr beeilt hatte. Oft bemerkte ich ein kaltes Glitzern in ihren Augen, ein Zeichen, dass sie getrunken hatte. Iwan Schuwalow war nie da in diesen Nächten; offenbar hatte sie ihn bereits entlassen.
    »Mit was für Leuten ist sie zusammen, Warwara?«
    Wenn die Kaiserin so im Halbdunkel auf ihrem Bett lag, wollte sie gern hören, dass Katharina sich haltlos treiben ließ, ganz ihren Lüsten und Eifersüchten hingegeben, geblendet vom Glitzern kostbarer Steine, fiebrig in der Schwüle der Sommernächte. Ich sollte Dinge erzählen, die sie rechtfertigten, die bestätigten, dass es richtig gewesen war, der Mutter ihr Kind wegzunehmen.
    »Fürstin Galizina ist jetzt ihre beste Freundin, Majestät. Sie sehen einander täglich. Meistens ist Fürstin Daschkowa dabei. Die Großfürstin schickt alle anderen Leute weg, wenn die beiden bei ihr sind. Dann kommt der Juwelier, und sie sehen sich Schmuck an.«
    »Kauft sie auch etwas?«
    »O ja. Sie liebt große Steine, sie möchte auffallen.«
    »Macht sie immer noch Schulden?«
    »Monsieur Bernardi gibt ihr Kredit.«
    »Was treibt sie sonst noch den ganzen Tag?«
    »Sie hat angefangen, ein historisches Drama zu schreiben, aber das ist noch ein Geheimnis – sie will Eure Majestät damit überraschen. Es spielt in der Zeit der Wirren. Ich fürchte, dass es nicht viel taugt – es ist schrecklich langatmig, und andauernd werden Reden gehalten. Sie plant auch ein großes Sommerfest in Oranienbaum zu Ehren des Großfürsten. Die Damen sollen alle weiße Taftkleider mit Tüll tragen und die Herren blauen Samt und weiße Hosen.«
    »Schläft der Großfürst mit ihr?«
    »Ja.«
    »Und sie ist immer noch nicht schwanger?«
    »Nein. Sie hat allerdings zugenommen: Die Zofen stöhnen, weil es immer schwieriger wird, sie zu schnüren. Und irgendetwas ist mit ihrer rechten Schulter nicht in Ordnung. Sie hat wieder oft Zahnweh, aber sie will nicht, dass man einen Arzt kommen lässt. Die Doktoren machen alles nur noch schlimmer, sagt sie und kaut lieber Gewürznelken, um den Schmerz zu betäuben.«
    »Wer kommt sie sonst noch besuchen? Bestuschew?«
    »Ja.«
    »Was will der alte Gauner von ihr?«
    »Sie unterhalten sich immer hinter geschlossenen Türen, aber ich weiß, dass sie ihn drängt, ihr einen neuen Liebhaber zu besorgen.«
     
    Von allen Besuchen der Großfürstin in Zarskoje Selo in jenem Sommer ist mir einer besonders deutlich in Erinnerung geblieben.
    In dem Gartenpavillon blühten üppig Dahlien und Kapuzinerkresse in steinernen Pflanztrögen, Geißblatt rankte sich an schmiedeeisernen Gittern empor. An der Decke waren Käfige aufgehängt, in denen Sittiche und Kanarienvögel zwitscherten und sangen. Bestickte Tücher und Deckchen lagen auf den Tischen und Kommoden, und überall standen Lackkästchen, Körbchen aus Birkenrinde und Schalen mit Süßigkeiten herum. In großen kupfernen Gießkannen in den Ecken prangten rote und gelbe Begonien. Man hatte die eisernen Gartenstühle durch bequeme, reich vergoldete Sessel ersetzt. Die Kissen waren mit Feuervogelmotiven bestickt.
    Die Diener brachten Kristallkaraffen mit Wodka in den verschiedensten Farben und Geschmacksrichtungen – Rote Bete, Preiselbeeren, Zitrone, Meerrettich, Pflaumen, Kirschen. Zu essen gab es Suschki, mit Kohl und Pilzen gefüllte Piroggen, geräucherten
Schweinebauch, fein geschnitten und zu einem Füllhorn mit Trauben arrangiert.
    So liebte es die Kaiserin. »Wie in einer skaska «, hatte sie befohlen. Sie sehnte sich zutiefst nach den einfachen, klaren Verhältnissen der russischen Volksmärchen, wo immer das Gute siegt, wo der kluge Kater den tückischen Zauberer überlistet, wo das Aschenputtel am Ende auf dem goldenen Thron sitzt.
    »Eine ihrer Lebenslügen«, hatte der Kanzler bemerkt. Ich rieb die Stelle an meinem Arm, wo er mich festgehalten hatte, bevor ich mich losriss. In Warschau wartete Stanislaw immer noch auf seine Ernennung zum Gesandten in

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