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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Feldmarschall Apraxin dem preußischen König eine Atempause? Ist das Unfähigkeit oder Hoch
verrat?«, hatte er gefragt. »Und wer ermutigt ihn dazu? Bestuschew und seine neuen Verbündeten?«
    Er meint Sie , sagte ich zu Katharina, aber sie schien das nicht zu beunruhigen. Sie habe nichts zu verbergen, versicherte sie mir. Bestuschew versuche zwar, sie für seine Zwecke einzuspannen, aber sie habe sich immer geweigert, Partei zu ergreifen.
    »Lass die Schuwalows reden, Warenka«, sagte sie. »Sie können mir nichts anhaben.«
    Vielleicht hatte sie recht, dachte ich.
    Ganz Sankt Petersburg fieberte der Hochzeit von Fürst Naryschkin entgegen. Die Braut hatte seine Mutter ausgesucht, nachdem der Sohn allzu lange unentschieden gezögert hatte, selbst eine passende Kandidatin zu wählen. Regierungsgeschäfte blieben unerledigt, Dokumente, die der Kaiserin zur Unterschrift vorgelegt wurden, mussten warten – Elisabeth hatte Wichtigeres zu tun. Sie lehnte ein Dutzend Festkleider ab, ehe sie sich schließlich für eines aus himmelblauer Seide entschied, über dessen weiten Reifrock sich Musselinreben mit diamantenen Trauben rankten.
     
    »Sie können immer auf unsere Hilfe zählen«, hatte Alexej Orlow mir in den traurigen Tagen unmittelbar nach Igors Tod versichert, und er wiederholte sein Versprechen bei jedem seiner späteren Besuche.
    Er brachte immer Geschenke für Darja mit, etwa ein Porzellanservice für ihr Puppenhaus oder eine silberne Haarbürste, und er blieb zum Abendessen. Darja nannte ihn jetzt »Onkel Alexej«.
    Es ging immer betont korrekt und schicklich zu bei diesen Besuchen. Mascha war als Anstandsdame ständig anwesend und warf mir, sobald wir in der Unterhaltung auf einen Gegenstand zu sprechen kamen, der ihr fremd war, einen warnenden Blick zu, immer auf der Hut, dass ich mich ja nicht zu etwas hinreißen ließ, das unpassend vertraulich oder zwanglos wirken konnte. Denn sosehr sie auch Alexej Grigorjewitsch Orlow, einen wah
ren Freund ihres verstorbenen Herrn, schätzte, war sie doch eisern entschlossen, auf gar keinen Fall zuzulassen, dass ich zum Objekt übler Nachrede würde.
    »Die Leute reden«, sagte sie murrend. »So sind die Leute eben. Sie sind eine Witwe.«
    An einem dieser Abende unterhielt Alexej Orlow Darja mit lauter phantastischen Geschichten. Die Narbe in seinem Gesicht, so versicherte er ihr, sei ein Relikt einer Wunde, die ihm ein Einhorn zugefügt habe, und verleihe ihm magische Kräfte.
    »Schließ deine Augen und zähle bis fünf«, sagte er. »In der Zeit fliege ich zum Mond und wieder zurück.«
    Mit ungläubigem Staunen betrachtete sie die Dinge, die er als Beweisstücke von früheren Mondreisen mitgebracht hatte: einen Stein, eine Feder und ein vom Wasser glattgeschliffenes Stückchen Treibholz.
    »Ist das wahr, Maman?«, fragte sie mit glänzenden Augen. »Fliegen Vögel bis zum Mond? Und gibt es da Bäume?«
    Ich brachte es nicht übers Herz, sie zu ernüchtern. »Woher soll ich das wissen, kison'ka ? Ich war nie dort.«
    Während unsere Unterhaltung so heiter dahinfloss, wartete ich doch immer darauf, dass sich unser Gespräch Katharina zuwandte. Ich vergaß nie, dass die Garden als die Macht im Reich galten, die darüber entschied, wer auf dem Zarenthron saß.
    Die Großfürstin konnte ausgezeichnet reiten. Sie sprach so gut Russisch, dass alle staunten. Ihr ganzes Auftreten wirkte souverän – sie blieb immer gelassen und gut gelaunt, sogar und besonders in Gesellschaft des Fräuleins .
    Solche allgemeinen Bemerkungen genügten mir fürs Erste. Der Frost hatte zwar die Feindseligkeiten zum Erliegen gebracht, aber Russland befand sich immer noch im Krieg. Die Zeit war noch nicht reif, doch das bedeutete nicht, dass man untätig bleiben durfte. Die Schuwalows waren nicht die Einzigen, die Pläne schmiedeten. Es gab Leute, die im Machtspiel bei Hof, wenn die Stunde gekommen war, auf Katharinas Seite stehen würden.
     
    Am Morgen des 13. Februar kam Stanislaw zu mir in meine Wohnung. Er wirkte mitgenommen und nervös.
    »Bestuschew ist verhaftet worden«, sagte er, sobald Mascha das Zimmer verlassen hatte. »Gestern. Direkt vor dem kaiserlichen Schlafzimmer.« Seine Stimme zitterte und überschlug sich.
    Ich konnte es nicht glauben. Ich war den ganzen Tag im Palast gewesen und hatte nichts bemerkt, was auf außergewöhnliche Ereignisse hingedeutet hätte, keinerlei Anzeichen von Aufregung oder hektischer Betriebsamkeit.
    »Keith hat es mir erzählt«, fuhr Stanislaw,

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