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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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konnte.«
    Beifall erhob sich.
    Sie hatte mich zur Gräfin gemacht, und ich konnte ihr nicht einmal richtig dafür danken, denn die Leute hinter mir zupften
mich ungeduldig am Ärmel, um mich daran zu erinnern, dass ich nicht die Einzige war, die mit der neuen Kaiserin sprechen wollte. Und neben mir erinnerte Alexej Orlow Katharina zum wiederholten Mal daran, dass sie sich unbedingt dem Volk zeigen musste.
    In Sankt Petersburg schwirrten Gerüchte umher: dass Peter verkleidet in die Stadt gekommen sei und Anhänger um sich sammle, dass der König von Preußen bereits Truppen geschickt habe, um ihm zu helfen, dass der gestürzte Kaiser Katharina entführen wolle oder sogar schon entführt habe.
    »Sofort, Hoheit«, sagte Alexej Orlow. Seine Stimme klang heiser. »Ich bitte Sie inständig. Das Volk muss Sie und den Großfürsten sehen, damit es weiß, dass Sie beide vor diesem Ungeheuer sicher sind.«
    Ich weiß noch, wie unangemessen hart mir dieses Wort vorkam. Einen Moment lang erwartete ich sogar, dass Katharina ihn dafür tadeln würde, aber ich war so benommen vom Glück über unseren Sieg, dass ich es sofort wieder vergaß.
     
    Nach einem Staatsstreich sind viele Verbindlichkeiten zu begleichen.
    Katharina war in ihrer Preobraschenski-Uniform allgegenwärtig, sie inspizierte Truppen, empfing wichtige Persönlichkeiten und Delegationen. Sie schlief kaum und aß in aller Eile auf dem Weg von einem zum nächsten Termin. Und sie war immer voller Anmut und Huld, verteilte Belohnungen, verlieh Titel, Landgüter und Auszeichnungen, gab Petitionen statt und rief die Verbannten zurück.
    Kommen Sie, so schnell Ihre Pferde laufen können. Ich erwarte Sie sehnlich , schrieb sie dem früheren Kanzler Bestuschew. Graf Panin, der seine Enttäuschung darüber, dass Katharina nicht als Regentin für ihren Sohn herrschen wollte, schnell verwunden hatte, durfte sich mit einem neuen rot-silbernen Ordensband schmücken.
    Grigori Orlow wurde zum Generalleutnant ernannt und eben
so wie seine vier Brüder in den Grafenstand erhoben. Jeder der führenden Verschwörer erhielt eine Pension von zweitausend Rubel und obendrein entweder ein Landgut mit sechshundert Leibeigenen oder vierundzwanzigtausend Rubel. Auch ich, die zur Gräfin geadelte Buchbinderstochter, durfte zwischen diesen beiden Belohnungen wählen.
    Die Höflinge auf den Gängen des Winterpalasts überschlugen sich vor Freundlichkeit, wenn sie mir begegneten; sie verneigten sich tief und versicherten mir ihre lebenslange Ergebenheit. Graf Panin schritt selbstsicher und stolz durch die Korridore, immer ein Lächeln auf den geschminkten Lippen. Was für eine Position hatte man ihm versprochen? Die des Kanzlers? Man munkelte, dass er Woronzow ablösen sollte.
    Aber selbst die großzügigsten Belohnungen reichten nicht aus, alle zufriedenzustellen. Kein Tag verging, ohne dass irgendein Gardeoffizier den Alexander-Orden, mit dem er ausgezeichnet worden war, zurückgeben wollte, sich bitter über sein Geschick beklagte und nicht zu trösten war, bis endlich Katharina eine Petition von ihm entgegennahm und versprach, diese oder jene Entscheidung rückgängig zu machen oder alte Privilegien wiederherzustellen.
    »Jeder Gardesoldat kann sagen: ›Ich habe diese Frau zu dem gemacht, was sie ist‹«, bemerkte Katharina einmal in einem der seltenen Momente, da ich ungestört mit ihr sprechen konnte. »Wie lange wird es dauern, bis sie sagen: ›Ich kann sie auch wieder stürzen‹?«
    Sie sagte nicht: Ich möchte, dass du sie genau im Auge behältst, Warenka, und dich umhörst, was sie reden.
    Das war nicht nötig – ich wusste, was ich zu tun hatte.
     
    Was ich hörte in diesen aufgeregten Tagen, war dies:
    Die Spione berichteten, dass in Oranienbaum ein Schiff bereit liege, um Peter und seine Holsteiner nach Preußen zu bringen.
    »Ihm wird kein Haar gekrümmt werden«, versprach Alexej, als er aufbrach, um den gestürzten Kaiser festzunehmen und nach Schlüsselburg zu schaffen, wo er in Haft bleiben sollte, bis Katharina entschied, was weiter mit ihm geschehen sollte. »Und er wird keinen Schaden anrichten können, Majestät.«
    In der Festung Schlüsselburg stand noch keine geeignete Zelle zur Verfügung, darum brachte Alexej Peter in das sechsunddreißig Werst von Sankt Petersburg entfernt liegende Schloss Ropscha. Er versicherte, er bemühe sich darum, dem Gefangenen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
    Aber Peter hatte allerlei Klagen. Sein Zimmer war zu

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