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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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klein, sein Bett zu schmal. Er konnte keine Morgenspaziergänge machen, und von dem Mangel an Bewegung schwollen seine Beine an.
    Er trank. Er weigerte sich zu essen. Er weinte und verlangte nach dem Fräulein .
    Ich werde ins Exil gehen und niemals zurückkehren. Ich will nur meinen Hund, meine Flöte, meinen Mohren und meine Mätresse , schrieb er Katharina. Ich verzichte auf den Thron. Ich schwöre Kaiserin Katharina II . treue Gefolgschaft. Ich bitte sie um Verzeihung für alles Böse, das ich getan habe.
    Manchmal musste ich an die einsame Gestalt im blauen Morgenrock denken, die durch den Korridor in Oranienbaum geschritten war, aber ich war wie beschwipst von den Verheißungen jener ersten Tage der Regierung Katharinas und verdrängte die Erinnerung sogleich wieder.
    Peter hat kapituliert , dachte ich. Er taugt nicht zum Kaiser, aber er ist kein schlechter Mensch. Ein paar Monate im Gefängnis gehen schnell vorbei, und hinterher ist er umso glücklicher.
    Ich wollte immer noch nicht wahrhaben, dass manchmal Gerechtigkeit nur ein anderer Name für Rache ist.
     
    Am dritten Tag nach dem Putsch stand ich um fünf Uhr morgens bereit, der Kaiserin Kaffee zu bringen, ein Vorrecht, das ich mir gesichert hatte. Aus ihrem neuen Schlafzimmer hörte ich Grigori
Orlows Stimme sagen: »Denk nicht darüber nach, Katinka. Belaste dich nicht damit.«
    Katharina hatte die kaiserliche Suite im Winterpalast bezogen, das Schlafzimmer und sechs benachbarte Räume, alles in Gold und Weiß gehalten. Grigori Orlow hatte die Wohnung direkt darüber in Beschlag genommen.
    Ich hörte einen Hund jaulen. Der alte Bijou lebte nicht mehr, jetzt machte ein italienisches Windspiel namens Sir Tom Anderson Jagd auf die wenigen struppigen Katzen, die noch gelegentlich auftauchten und nach Elisabeth suchten. Es waren andere Katzen als früher, ich sah aber, dass einige Bronjas wie Schildpatt gemustertes Fell und Puschoks Augen hatten.
    Sir Tom fing zu bellen an.
    »Still!«, rief Katharina. Der Hund fiepte und verstummte.
    Katharina sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte.
    Ich hörte ihre schnellen Schritte im Raum auf und ab gehen, dann die Stiefel Grigoris.
    »Du musst dem Gerede ein Ende setzen, Katinka«, beschwor Grigori sie. »Alexej sagt, er wird dir seine Freundschaft aufkündigen.«
    Im Vorzimmer strich ich einen Wandteppich glatt. Ich hob einen Handschuh auf, der unter einem Stuhl lag. Er roch nach Jasmin und Schweiß.
    Ich wartete.
    Es war Viertel nach fünf, als Katharina durch die Tür trat. Sie lächelte schwach bei meinem Anblick. Ich sah ihr an, dass sie geweint hatte.
    »Alle wollen etwas von mir, Warenka. Ich kann es nicht jedem recht machen.«
    Bevor ich etwas antworten konnte, legte sie den Finger auf die Lippen.
     
    Der Brief aus Ropscha traf am fünften Tag nach dem Staatsstreich ein. Die Kaiserin befand sich im Thronsaal, umringt von Höflin
gen. Der Bote warf sich vor ihr auf die Knie. Er war von Regen durchnässt und roch nach Straßenkot und Schlamm.
    Katharina erbrach das Siegel und las. Ihre Lippen wurden schmal. Ich sah, wie sie nervös ihre Finger an ihrem seidenen Rock abwischte. Sie zerknüllte den Brief.
    Dann blickte sie auf.
    »Ich bin entsetzt und bestürzt«, sagte sie.
    Matuschka, Ihr Mann lebt nicht mehr , stand in dem Brief. Es war in Ropscha zu einem Kampf gekommen. Niemand hatte es gewollt, es war einfach passiert. Ein Streit war so plötzlich eskaliert, dass niemand das Unglück verhindern konnte. Alle, die dabei gewesen waren, bekannten sich schuldig, sie alle hatten den Tod verdient, und er, Alexej, Graf Orlow, bat nun in diesem Schreiben die Kaiserin um Gnade oder ein schnelles Ende.
    Ich bin es nicht wert, weiterzuleben, denn ich habe Sie enttäuscht.
    Der mit Edelsteinen geschmückte Absatz von Katharinas Schuh stampfte auf. Um mich herum waren Stimmen, aber ich hörte nicht zu.
    Peter ist tot , dachte ich.
    Ermordet.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich in meine Wohnung kam. Als ich Darjas ängstliche Augen sah, nahm ich mich zusammen und zwang mich zu einem Lächeln. Nein, es sei nichts Schlimmes passiert, sagte ich, ich sei einfach nur müde und brauchte ein bisschen Ruhe.
    Als sie weg war, fühlte ich mich so erschöpft, als hätte ich einen Berg bestiegen. Dicke Schweißtropfen standen mir auf der Stirn. Sogar das Atmen tat mir weh. Das Licht blendete mich. Ich bat Mascha, die Vorhänge zuzuziehen.
    Sie holte einen Arzt.
    Er ließ mich zur Ader. Und dann noch einmal. Er gab mir Abführmittel.

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