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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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trotzdem über. Ich wischte die kleine Pfütze auf der Tischplatte mit dem Ärmel auf.
    Er lachte.
    »Los, trink.« Seine Stimme war jetzt ganz sanft. »Es schmeckt gut.«
    Ich probierte die rötliche Flüssigkeit. Sie brannte im Hals. Ich setzte das Glas hastig ab.
    Er beugte sich vor, hob sein Glas und leerte es in einem Zug.
    »Wieso nimmst du nur so einen vorsichtigen kleinen Schluck von der kaiserlichen Dankbarkeit?«, scherzte er. »Du musst mehr davon trinken.«
    Ich trank mehr. Mir wurde schwindlig davon, das ganze Zimmer schwankte und drehte sich im Kreis. Ich grub meine Gabel in ein Stück Torte, gefüllt mit Schlagsahne und überzogen mit Schokoladenguss.
    Die Wärme in meinem Magen war angenehm. Auf den Lippen hatte ich den Geschmack von Stör und Sahne.
    Was ist Schicksal und was eigene freie Bestimmung? Wo ist die Grenze?
    Er beobachtete mich, wie ich aß, wie ich mir die seidig fettigen Lippen abwischte, wie ich die süße geschmolzene Schokolade kostete, wie ich noch einen Schluck Kirschlikör trank. Dann fing er zu reden an mit ganz glatter, geschmeidiger Stimme.
    »Du bist hübsch, Warwara, aber die Kaiserin macht sich nichts aus Frauen. Du verstehst wahrscheinlich gar nicht, wovon ich eigentlich rede, aber du solltest es wissen. Weißt du, im Grunde ihres Herzens ist sie ein Kind vom Land. Sie will einfache starke Männer. Sie möchte umschmeichelt und begehrt werden, aber sie schätzt auch und vor allem den Reiz des Neuen .
    Ich kann dich ihr vorstellen, aber ob ihr Interesse an dir anhält oder nicht, liegt nicht in meiner Hand. Das wird davon abhängen, welche Dinge du ihr erzählst. Und damit du ihr immer das Richtige erzählen kannst, wirst du mich brauchen, auch wenn dir das jetzt noch gar nicht so klar sein mag.«
    Ich blickte auf die kahle Stelle auf seinem Kopf. Sein Jackett stand offen, sein Hemd hing aus der Hose. Ich fühlte einen Kloß in meinem Hals und schloss die Augen. Er stand auf und kam zu mir. Seine warmen Hände schlüpften in meinen Ausschnitt und betatschen meine Brüste. Der Stein seines Rings verhakte sich in der Spitze am Saum meines Kleids.
    »Ich tu dir nicht weh«, murmelte er.
    Ich ließ mich zum Sofa zerren. Ich spürte, wie er meinen Rock aufhob, dann den Unterrock. Durch den dünnen Stoff seines Hemds fühlte ich sein Herz schlagen, so wild und schnell, dass ich panische Angst bekam, er würde sterben. Was sollte ich seinen Dienern sagen, wenn sie mich in seinen toten Armen fanden? Würde man ihm die Knochen brechen müssen, um mich zu befreien?
    Seine Finger schlossen sich fest um meine Handgelenke. Etwas in mir zog sich zurück und stellte sich tot.
    Er führte meine Hand zu der Narbe auf seiner Brust. Drei weiße Furchen über dem Herzen und eine vierte, so tief, dass mein ganzer Finger darin Platz hatte.
    Er führte sie in seinen Hosenschlitz, schloss meine Finger um sein Glied. Es war nass und klebrig. Dann fasste er mir zwischen die Beine, und ich fühlte, wie etwas in mir nachgab, ganz weich und widerstandslos wie Rußflocken, die durch einen Kamin fallen.
    Als es vorbei war, fragte er: »Ich habe dir nicht wehgetan, oder?«
    »Nein«, sagte ich. »Sie haben mir nicht wehgetan.«
    Ich glaubte das in dem Moment wirklich.
    »Es ist nichts passiert. Du bist immer noch Jungfrau, Warwara.« Er lallte es mit schwerer Zunge.
    Sein Kopf sank zurück auf das Kissen des Sofas, seine rot geränderten Augen fielen zu.
    Ich stand auf mit weichen Knien. Auf dem Kleid meiner Mutter war ein schmieriger Fleck von seinem Samen. Meine Schuhe lagen unter seinem Schreibtisch. Ich hob sie auf, zog sie aber nicht an. Als ich barfuß zur Tür ging, hörte ich den Kanzler schnarchen. Ich drehte mich nach ihm um. Ich vermied es, auf seinen Hosenschlitz zu schauen. Im Kerzenlicht glänzte die kahle Stelle auf seinem Kopf wie poliertes Metall.
    Kaum war ich draußen vor der Tür, wurde mir schlecht. Ich erbrach mich in eine große Bodenvase, die auf dem Korridor stand. Das Schwindelgefühl verschwand nicht, immer drehte sich alles um mich herum, und ich hatte einen scheußlich sauren Geschmack im Mund.
    Als ich den Schlafsaal erreichte, war der Rausch abgeklungen. Meine Hände waren klebrig und rochen nach Erbrochenem. Der Wasserkrug in dem Raum war leer, darum pinkelte ich in einen Nachttopf und wusch mir die Hände in der warmen Pisse. Dann zog ich das besudelte Kleid aus und knüllte es zusammen. Bei nächster Gelegenheit, wenn niemand zuschaute, wollte ich es waschen.
    Ich schlief

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