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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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für einen Mord bereit zu machen, durchzuckten sie solche Wogen der Angst, dass ihr die Hände zitterten und der Atem stockte. Ihre Kehle war trocken, und es schien, als finge ihr rechtes Augenlid zu zucken an.
    Sie fragte sich, wo all ihre Zuversicht, ihr Gepolter und Draufgängertum geblieben waren. Es kam ihr so vor, als läge es Lichtjahre zurück, dass sie darauf bestanden hatte, den Bösen Wolf zu töten. Jetzt, wo er einen Namen und eine Adresse hatte und nicht mehr nur eine diffuse Bedrohung war, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, war all ihre Zuversicht dahin. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, das Angst im Dunkeln hat. Am liebsten hätte sie geweint.
    Unendlich viel klüger schien ihr, die Mördersachen auszuziehen, unter die Bettdecke zu kriechen und geduldig abzuwarten, bis der Wolf sie holte. Sie kämpfte gegen die Versuchung an und rief sich ins Bewusstsein, dass die anderen beiden Roten auf sie zählten.
    Nur dass sie sich inzwischen nicht mehr vorstellen konnte, wie sie sich bei diesem Vorhaben nützlich machen sollte, und sie nur noch Angst und Zweifel quälten.
    In der Annahme, dass dies die letzte Nacht ihres vertrauten Lebens sein würde, ging Jordan zur Tür. Es war ein lähmendes, entsetzliches Gefühl. Fast hatte sie sich in der Zeit, seit sie der Wolf verfolgte, an eine Form von Angst gewöhnt, und diese Nacht versprach nur, sie durch eine völlig andere zu ersetzen, mit der sie ebenso wenig zurechtkommen würde. Ihr war zum Schreien zumute. Doch stattdessen horchte sie aufmerksam, um sich zu vergewissern, dass keins der anderen Mädchen im Haus auf war, sei es, weil es noch am Schreibtisch saß oder zur Toilette musste.
    Irgendwann im Lauf der Schulzeit schlich sich jeder Schüler einmal nachts aus dem Wohnheim, verstieß damit gegen eherne Regeln und riskierte, von der Schule zu fliegen. Niemand aber, dachte sie, hat das aus demselben Grund getan wie ich. Das hier war keine heimliche Verabredung mit einem Jungen. Auch kein nächtlicher Drogen- oder Alkoholtrip. Kein an Sadismus grenzender Streich, den man einem Neuling spielte. Das hier war etwas anderes.
    Die Stille, die Heimlichkeit – die waren dieselben. Doch damit endeten die Gemeinsamkeiten.
    Sie drehte den Knauf und öffnete die Tür mit dem Gedanken, dass eine neue Jordan in eine fremde Welt treten würde. Die alte Jordan bliebe für immer zurück.
    Sie huschte aus dem Zimmer. Dank der Schläppchen waren ihre Schritte nicht zu hören, und sie trat behutsam auf, weil die alten Holzdielen im Flur bei jedem Schritt verräterisch knarren und ächzen konnten.
    Mit jedem Schritt ließ sie das Mädchen, das sie bis jetzt gewesen war, hinter sich. Wie einen Schatten.
    Als sie schließlich zur Haustür hinaustrat, schlug ihr die Kälte entgegen. Sie zitterte, als sie die Schläppchen auszog und ihre neuen Laufschuhe zuschnürte. Obwohl sie den Schweiß unter den Armen spürte, fror sie entsetzlich in der bitteren Kälte. Jordan hatte Angst, zu Eis zu gefrieren, und so rannte sie durch die Nacht zu ihrem Treffen mit den anderen Roten.
     
    Sarahs Aufbruch aus dem Frauenhaus war ebenso verstohlen. Ihr Problem bestand darin, es am Wachposten der Nachtschicht vorbei zu schaffen – einer Ehrenamtlichen aus einem der benachbarten Colleges, die von neun Uhr abends durchhielt, bis zur Frühschicht ein pensionierter Streifenpolizist mit frischem Kaffee und Donuts kam. Die Herausforderung bestand für Sarah darin, hinauszukommen, ohne dass die Studentin sie bemerkte, die sich über einen Stapel Lehrbücher beugte und die drückende Stille fürs Studium nutzte. Die Freiwilligen im Nachtdienst waren im Schnitt gerade mal um die zwanzig, und man hatte ihnen eingebleut, im Zweifelsfall lieber übervorsichtig zu sein. Jede kleine Störung, irgendeine Abweichung von der Normalität konnte zu einem Anruf bei der Leiterin des Frauenhauses oder bei der Polizei führen.
    Und so wartete Sarah über eine Stunde außer Sichtweite im Flur des zweiten Stocks. Sie wusste, dass die junge Frau irgendwann aufstehen würde, um die Glieder zu strecken, zur Toilette zu gehen oder sich im Büro nebenan eine Tasse Kaffee aufzubrühen – oder einfach den Kopf auf die Bücher legen würde, um ein Nickerchen zu halten.
    Zusammen mit ein paar Kleidern zum Wechseln hatte sie den Revolver ihres Mannes in der Tasche verstaut. Sie war genauso angezogen wie Jordan, schalldämpfende Ballettschuhe eingeschlossen. Karen würde im gleichen Outfit kommen.
    Sarah sah nicht

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