Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
„Das kommt nicht infrage, Ike. Kenny ist ein verfluchter Idiot. Versteh mich nicht falsch, ich mag ihn und alles, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er nicht in der Lage ist, die Firma zu leiten. Sag mir mal, wie das werden soll, wenn wir uns auf das Angebot einlassen."
Ike schwieg und schien seine Gedanken zu sammeln. Nach ein paar Sekunden sagte er: „Angenommen, du könntest Kenny dazu überreden; dann würdet ihr beide eure Aktien an Danny verkaufen und Gerichtsbeschlüsse unterzeichnen, die euch für immer aus dem Brokergeschäft ausschließen. Das Geld für die Strafe kommt direkt aus der Unternehmenskasse, du müsstest keinen Cent aus eigener Tasche bezahlen. Und dann wollen die einen unabhängigen Buchprüfer in die Firma schicken, der ein paar Empfehlungen ausspricht. Aber das ist keine große Sache, ich kann das mit deiner Vertragsabteilung regeln. Und das war's dann, mein Freund. Eine ganz einfache Geschichte." Dann sagte Ike noch: „Aber ich glaube, dass du zu sehr auf Danny baust. Er ist zwar entschieden intelligenter als Kenny, aber er ist die meiste Zeit stoned. Ich weiß, dass du auch gerne feierst, aber während der Geschäftszeiten bist du immer voll da. Außerdem gibt es nur einen Jordan Belfort auf der Welt. Und das wissen auch die Regulierer - vor allem Marty Kupferberg, der momentane Leiter des New Yorker SEC-Büros. Deshalb will er dich raushaben. Mag sein, dass er alles verachtet, wofür du stehst, aber er respektiert trotzdem, was du geleistet hast. Ich kann dir dazu eine Anekdote erzählen: Vor ein paar Monaten war ich auf einer SEC-Konferenz in Florida und Richard Walker - die Nummer 2 in Washington - sagte, wir bräuchten einen kompletten Satz neuer Wertpapiergesetze, um mit Leuten wie Jordan Belfort fertig zu werden. Die Anwesenden lachten in sich hinein und er hat das keineswegs geringschätzig gesagt, wenn du weißt, was ich meine."
Ich verdrehte die Augen. „Oh ja, ich bin richtig stolz darauf; richtig stolz, wirklich! Willst du nicht hingehen und meiner Mutter erzählen, was Richard Walker gesagt hat? Sie ist bestimmt restlos begeistert davon, welchen ehrfürchtigen Respekt ihr Sohn dem obersten Wertpapierbullen einflößt. Ob du's glaubst oder nicht, Ike, es gab einmal eine Zeit, da war ich ein netter jüdischer Junge aus einer netten jüdischen Familie. Ernsthaft. Ich war das Kind, das sich etwas dazuverdiente, indem es in den Einfahrten anderer Leute Schnee schippte. Man kann sich kaum vorstellen, dass ich noch vor fünf Jahren einfach in ein Restaurant gehen konnte, ohne dass mich die Leute komisch angeschaut haben." Ich schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich meine - Himmel! - wie zum Teufel konnte die ganze Sache so völlig außer Kontrolle geraten? Als ich Stratton gründete, lag das nicht in meiner Absicht! Das schwöre ich bei Gott, Ike!" Damit stand ich auf und schaute durch das Spiegelglasfenster das Empire State Building an. Eigentlich war es doch noch gar nicht so lange her, dass ich als Broker-Trainee an die Wall Street gekommen war. Ich hatte den Expressbus genommen - den Expressbus! - und hatte noch sieben Dollar in der Tasche gehabt. Sieben beschissene Dollar! Ich konnte mich noch daran erinnern, wie ich mir die anderen Menschen anschaute und mich fragte, ob sie es auch so bitter fanden, dass sie den Bus nehmen mussten, um sich in Manhattan irgendwie ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich erinnerte mich, dass mir die älteren Leute leid taten - weil sie auf diesen harten Plastiksitzen sitzen und den Dieselgestank einatmen mussten. Ich erinnerte mich, dass ich mir geschworen hatte, ich wollte nie so enden, ich würde irgendwie reich werden und selbst über mein Leben bestimmen. Ich erinnerte mich, dass ich aus dem Bus ausgestiegen war, zu den ganzen Wolkenkratzern aufgeschaut hatte und mich von der puren Macht dieser Stadt eingeschüchtert fühlte, obwohl ich doch nur ein paar Meilen von Manhattan entfernt aufgewachsen war.
Ich drehte mich um, schaute Ike an und sagte mit sentimentaler Stimme: „Weißt du, Ike, ich wollte nie, dass das einmal so endet. Das ist wirklich wahr: Als ich Stratton gründete, waren meine Absichten gut. Ich weiß, dass das jetzt nicht mehr viel bedeutet, aber trotzdem ... vor fünf Jahren war das wirklich so." Ich schüttelte wieder den Kopf und sagte: „Ich nehme an, der Spruch stimmt, dass der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert ist. Aber ich erzähle dir auch eine Anekdote: Erinnerst du dich noch an meine
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