Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
auf der anderen Seite - dass sie bisher nie ein reiches, extravagantes Leben gebraucht oder gewollt hatte, hieß ja nicht, dass das nicht besser für sie wäre! Es war besser für sie, verflixt noch mal! Mit dem zusätzlichen Geld konnte sie ihren Lebensabend im Luxus verbringen. Und wenn sie (Gott behüte) je krank würde, könnte sie die beste medizinische Versorgung in Anspruch nehmen, die man für Geld kaufen kann. Ich war der festen Meinung, dass dieser britische Unsinn mit der gleichmacherischen Utopie der sozialen Medizin nichts als ein Haufen gequirlte Pferdekacke war. Wer ein paar Millionen Britische Pfund besaß, sollte eine Sonderbehandlung bekommen. Das wäre doch nur fair, oder? Vielleicht waren die Briten weniger geldgierig als die Amerikaner, aber sie waren trotzdem keine beschissenen Kommunisten. Und ein soziales Gesundheitswesen - ein echtes soziales Gesundheitswesen - war nichts anderes als eine kommunistische Verschwörung!
Und es gab noch andere Vorteile, die zusammengenommen die Waagschale eindeutig in die Richtung sinken ließen, dass ich die entzückende Tante Patricia in die verbotene Höhle des Löwen des internationalen Bankenbetrugs lockte. Patricia hatte doch selbst gesagt, dass es sie noch auf Jahre hin jung halten würde, wenn sie zu einem ausgebufften Geldwäscherring gehören würde! Was für ein angenehmer Gedanke! Und wie groß waren denn in Wahrheit die Chancen, dass sie Ärger bekam? Fast gleich null, dachte ich. Wahrscheinlich noch kleiner.
Gerade da sagte Patricia: „Du hast diese wunderbare Gabe, mein Lieber, dass du zwei Unterhaltungen gleichzeitig führen kannst. Die eine Unterhaltung führst du mit der Außenwelt - in diesem Fall mit deiner geliebten Tante Patricia - und die andere Unterhaltung führst du mit dir selbst und nur du allein kannst sie hören."
Ich ließ wieder ein leises Lachen hören. Ich lehnte mich zurück und breitete meine Arme auf beiden Seiten der hölzernen Latte aus, so als wollte ich, dass die Bank ein paar von meinen Sorgen aufnimmt. „Du siehst vieles, Patricia. Seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, als ich fast in der Kloschüssel ertrunken bin, habe ich das Gefühl, dass du mich besser verstehst als die meisten Menschen. Vielleicht verstehst du mich sogar besser, als ich mich selbst verstehe, aber wahrscheinlich nicht. Jedenfalls verliere ich mich in meinem Kopf, seit ich mich erinnern kann - seit ich ein Kind war, vielleicht seit dem Kindergarten. Ich erinnere mich, wie ich im Klassenzimmer saß, mir die anderen Kinder anschaute und mich fragte, warum sie es einfach nicht begriffen. Die Lehrerin stellte eine Frage und ich wusste die Antwort schon, bevor sie sie zu Ende gesprochen hatte." Ich machte eine Pause, schaute Patricia gerade in die Augen und sagte: „Halte mich bitte nicht für einen Angeber, Patricia. Ich möchte nicht, dass das so ankommt. Ich versuche nur, ehrlich zu dir zu sein, damit du mich wirklich verstehen kannst. Ich war den anderen Kindern in meinem Alter von klein auf immer weit voraus - geistig, meine ich. Je älter ich wurde, desto weiter war ich voraus. Und seit meiner Kindheit braust dieser sonderbare innere Monolog durch meinen Kopf, und der hört nicht auf - außer wenn ich schlafe. Ich bin sicher, dass das bei jedem Menschen so ist, nur ist mein Monolog besonders laut. Und besonders störend. Ich stelle mir ständig Fragen. Und das Problem ist, dass das Gehirn wie ein Computer arbeitet: Wenn man eine Frage stellt, ist es darauf programmiert zu antworten, egal ob es eine Antwort gibt oder nicht. Ich wäge im Geiste ständig alles ab und versuche vorherzusehen, wie sich meine Handlungen auf die Ereignisse auswirken - vielleicht wäre die Ereignisse manipulieren' eine bessere Formulierung. Das ist so, als ob man mit seinem eigenen Leben Schach spielte. Und dabei hasse ich Schach!"
Ich suchte in Patricias Gesicht nach irgendeiner Reaktion, aber ich sah nur ein warmes Lächeln. Ich wartete auf eine Reaktion von ihr, aber es kam nichts. Doch ihr Schweigen an sich sandte eine kristallklare Botschaft: Sprich weiter!
„Als ich sieben oder acht Jahre alt war, bekam ich schreckliche Panikanfälle. Die bekomme ich heute noch, aber ich dämpfe sie jetzt mit Xanax. Schon wenn ich an eine Panikattacke denke, bekomme ich eine. Ich leide schrecklich darunter, Patricia. Das macht einen vollkommen fertig. Es ist, als wolle einem das Herz aus der Brust springen; so als ob jeder Augenblick des Lebens eine Ewigkeit
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