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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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die Zeit davon. Sosehr es ihm auch widerstrebte - er musste Zugeständnisse machen. »Hört zu«, sagte er zu Joju. »Ihr gebt mir die Gemahlin des Shōgun, und ich werde ihm nicht erzählen, dass Ihr ein Schwindler seid. Ich werde ihm auch nichts davon sagen, unter welchen Umständen ich seine Gemahlin gefunden habe. Euch wird nichts geschehen. Meine Männer können das bezeugen.« Er blickte Marume und Fukida an.
    Die beiden Ermittler runzelten die Stirn. Es war offensichtlich, dass Sano es ehrlich meinte; er hatte nicht die Absicht, Joju hereinzulegen, und das gefiel ihnen nicht. Dennoch nickten sie. Die einzige Chance für sie und alle anderen, aus dieser Sache lebend herauszukommen, bestand darin, dass Sano die Gemahlin des Shōgun heil und gesund zurückbrachte.
    Joju bedachte Sano mit einem Lächeln, in dem sich Bedauern und Zorn mischten. »Ich will Euch gerne glauben, dass Ihr Euren Teil einer solchen Abmachung einhalten würdet. Aber ich kann Euch die Gemahlin des Shōgun nicht übergeben, weil ich sie
    nicht habe. Das ist die Wahrheit. Ich schwöre es bei allen Geistern des Universums.«
    *

    »Ich glaube, Joju sagt die Wahrheit, was Nobuko angeht«, erklärte Fukida.
    »Das glaube ich auch«, sagte Marume.
    »Vielleicht habt ihr recht«, murmelte Sano.
    Er und die beiden Ermittler standen zusammen mit Sanos anderen Männern auf dem Tempelgelände. Die Soldaten hatten ihre Suche soeben abgebrochen, ohne eine Spur von Nobuko zu entdecken. Sano war so erschöpft, dass er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Kann sein, dass ich mich getäuscht habe«, sagte er. »Vielleicht ist Joju tatsächlich nicht für das Verschwinden Nobukos und für die anderen Entführungen verantwortlich.« Er ließ den Blick über das Tempelgelände schweifen. Die Männer, die er dazu abgestellt hatte, Joju im Auge zu behalten, waren mit der Menge der Betenden verschmolzen und nicht mehr auszumachen. Mit ein bisschen Glück würde auch der Geisteraustreiber sie nicht entdecken. »Aber ich hoffe noch immer, dass er oder Ogita uns zu ihr führt.«
    »Und wenn nicht diese beiden, bleibt uns immer noch Nanbu«, sagte Fukida.
    Sano nickte. »Er ist der Nächste.«
    Er und seine Männer verließen den Tempel. Draußen hielt sich nur noch eine Bettlerin auf, eine Frau mit verlebter Haut, strähnigem Haar und dermaßen schwieligen, schlammüberkrusteten Füßen, dass sie beinahe aussahen wie Hufe. Sano, der sich gerade in den Sattel schwingen wollte, verharrte erstaunt, als die Frau irgendetwas zu ihm sagte, das er nicht verstand. Normalerweise würde ein Bettler es niemals wagen, einen Samurai anzusprechen.
    »Was habt Ihr gesagt?«, fragte Sano.
    Als er genauer hinschaute, bemerkte er, dass die Frau feine Züge besaß; sie musste früher sehr hübsch gewesen sein. Und ihre Stimme ließ erkennen, dass sie jünger war, als Sano sie auf den ersten Blick geschätzt hatte, Mitte dreißig ungefähr. Vielleicht war die Frau so unverfroren, weil sie nichts mehr zu verlieren hatte außer ihrem Leben - und das war ihr vermutlich eine Last.
    »Ist er in Schwierigkeiten?«, fragte sie.
    »Wer?«
    Die Frau zeigte auf den Tempel. »Joju.«
    »Nun ja, er hat Probleme«, sagte Sano.
    Die Frau lächelte, wobei sie ihre fauligen Zähne entblößte. »Gut.« Ihre Augen funkelten boshaft. »Das freut mich. Ich hasse ihn.«
    »Warum?«
    »Weil er ein schlechter Mensch ist.«
    Offenbar war Sano durch Zufall auf jemanden gestoßen, der bereit war, etwas gegen den Priester zu sagen, den die meisten Menschen verehrten und der ein Günstling des Shōgun war. Sofort besaß die Frau Sanos ungeteilte Aufmerksamkeit. »Wieso haltet Ihr Joju für einen schlechten Menschen?«
    Die Bettlerin verzog den Mund. Eine Träne zog eine glitzernde Spur über ihre schmutzige Wange.
    »Lasst mich mit der Frau allein!«, befahl Sano seinen Leuten. Die ritten ein paar Schritte davon und zügelten, als sie außer Hörweite waren, ihre Pferde. Sano zog ein Tuch unter seiner Schärpe hervor und reichte es der Frau. Sie nahm es, wischte sich damit die Augen ab und schnäuzte sich hinein.
    »Wie heißt Ihr?«, fragte Sano.
    »Okitsu.« Die Frau hielt Sano das Tuch hin.
    Als er ihren Rotz darauf sah, wobei ihm gleichzeitig der Geruch von Schweiß, Fisch, schmutzigem Haar und Urin in die Nase stieg, sagte er: »Ihr könnt es gerne behalten.«
    Mit schiefem Lächeln schob die Bettlerin das Tuch sorgfältig in eine Tasche ihres zerlumpten blauen Kimonos.
    »Was hat Joju getan,

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