Der Wolkenpavillon
der Serie von Entführungen, die ich untersucht habe. Und warum? Damit der Shōgun mir die Schuld gibt, was dann ja auch geschehen ist und was zu meiner Entmachtung geführt hat. Und genau das war von vornherein Euer Ziel.«
»Wie könnt Ihr mir so etwas unterstellen? Früher hätte ich vielleicht zu solchen Mitteln gegriffen, aber seit meiner Rückkehr aus der Verbannung habe ich mich um eine gute Zusammenarbeit mit Euch bemüht. Ihr habt bloß Pech gehabt, das ist alles.« Yanagisawa schüttelte den Kopf. »Ich bin bereit, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
»Aber ich nicht«, entgegnete Sano. »Ich will Euch einen weiteren Grund nennen, warum Ihr Nobuko habt entführen und vergewaltigen lassen: Sie war Euch im Weg, als Ihr versucht habt, Yoritomo mit der Tochter des Shōgun zu verheiraten.«
Der herablassende Ausdruck auf Yanagisawas Gesicht wich eisigem Schrecken. Sano konnte sehen, dass dem Kammerherrn die Frage auf der Zunge lag, woher Sano von den Heiratsplänen wusste und davon, dass diese Pläne an Nobuko gescheitert waren. Diese Reaktion zeigte Sano, dass er mit seinen Anschuldigungen ins Schwarze getroffen hatte.
»Ihr habt eine unschuldige Frau entführen und vergewaltigen lassen, weil sie Eure Pläne durchkreuzt hat!«, sagte Sano voller Abscheu. Dieses Mal hatte Yanagisawa sich selbst übertroffen, was Grausamkeit, Selbstsucht und die Missachtung der Würde anderer Menschen anging. »Und diese Frau ist die Gemahlin Eures obersten Herrn!«
Yanagisawa hatte sich wieder gefangen und lächelte. »Angenommen - nur mal angenommen -, ich hätte Nobuko tatsächlich entführen und vergewaltigen lassen. Ihr habt keine Beweise.«
»Ich werde diesen Fall noch einmal untersuchen. Irgendetwas wird schon ans Licht kommen«, sagte Sano, obwohl er die Stadt seit vier Tagen durchkämmen ließ, ohne auf einen Beweis oder auf einen Zeugen gestoßen zu sein. Yanagisawa hatte seine Spuren sorgfältig verwischt.
»Ihr solltet nicht darauf zählen, dass Nobuko Euch hilft.« Anscheinend wusste Yanagisawa, dass Sano um eine Audienz bei der Gemahlin des Shōgun nachgesucht hatte, die ihm jedoch verweigert worden war. Wahrscheinlich würde Nobuko den Mann, der sie entführt und vergewaltigt hatte, ohnehin nicht identifizieren können. Vermutlich hatte man ihr dieselbe Droge gegeben wie die Ochsenkarrenfahrer ihren Opfern. Und selbst wenn Nobuko den Kammerherrn als Täter wiedererkannte, würde sie ihn nicht beschuldigen. Wenn ihr Wort gegen das von Yanagisawa stand, würde der Shōgun eher dem Kammerherrn glauben. Außerdem wusste Nobuko wahrscheinlich, dass Yanagisawa die Mittel besaß, jederzeit wieder an sie heranzukommen, auch wenn sie noch so gut bewacht war.
»Damit kommt Ihr nicht durch«, sagte Sano.
»Wer wollte mich aufhalten? Ihr etwa?« Zorn schlich sich in Yanagisawas Stimme. »Vergesst nicht, dass Ihr einen großen Teil Eurer Macht verloren habt. Zufällig weiß ich, dass der Shōgun sich weigert, mit Euch zu reden. Das werden meine Verbündeten nutzen, um ihm klarzumachen, dass Ihr eine Belastung für das Regime darstellt. Ich werde immer noch da sein, wenn Ihr längst Geschichte seid!«
Yanagisawa hatte die Maske der Freundlichkeit, die er über ein Jahr lang getragen hatte, nun endgültig fallen lassen. Sein Gesicht zeigte wieder den Hass auf Sano und seinen brennenden Ehrgeiz, Japan zu regieren. Seine dunklen Augen schimmerten, als würden sich stählerne Klingen darin spiegeln.
»Euer Plan, Yoritomo mit der Tochter des Shōgun zu verheiraten, wird nicht funktionieren«, sagte Sano. »Ihr werdet auf gewaltigen Widerstand stoßen, wenn Ihr es noch einmal versucht.«
Sano hatte Tsuruhimes Ehemann und seinen Verbündeten von Yanagisawas Plan berichtet. Alle waren sich einig, dass sie die Scheidung Tsuruhimes und ihre Heirat mit Yoritomo verhindern mussten, notfalls mit militärischer Gewalt.
Yanagisawa lachte in sich hinein. »Ihr lasst Eure Truppen auf dem falschen Schlachtfeld aufmarschieren. Selbst wenn es mein Ziel gewesen wäre, Yoritomo mit der Tochter des Shōgun zu verheiraten - und ich sage damit nicht, dass es so ist -, jetzt habe ich meine Absichten geändert. Ich habe bereits andere Möglichkeiten im Auge.«
Er wies auf eine Gruppe Samurai, die in der Nähe warteten. Sano sah mehrere Angehörige des Tokugawa-Klans unter ihnen. Offensichtlich hatte Yanagisawa keine Zeit verschwendet, neue, politisch vorteilhafte Verbindungen für sich und seinen Sohn zu schaffen.
»Glaubt ja nicht, ich
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