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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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stieg ihr in die Nase.
    Fumiko schüttelte den Kopf. Chiyo schauderte und presste sich den Ärmel ihres Gewands auf die Nase. »Es tut mir leid«, sagte sie dumpf. »Ich weiß nicht, ob es einer von den beiden war.«
    Die Verdächtigen tauschten einen Blick. Sie hatten Chiyos Worte gehört. Der Mann mit den fehlenden Vorderzähnen grinste hämisch, während sein massiger Kumpan zufrieden lächelte.
    Zorn erfasste Reiko. Falls diese Männer für die Entführungen und Vergewaltigungen verantwortlich waren, durften sie nicht ungestraft davonkommen! Es durfte nicht sein, dass Chiyo, Fumiko und die Nonne das alles erlitten hatten, ohne dass ihnen Gerechtigkeit widerfuhr. Aber was konnten sie tun?
    Plötzlich kam ihr eine Idee. »Hören wir uns ihre Stimmen an«, sagte sie zu Sano. »Sie sollen sagen: ›Liebste Mutter, geliebte Mutter‹ und ›du unartiges Mädchen‹.«
    Sano gab beiden Männern den Befehl, diese Worte nachzusprechen. »Liebste Mutter, geliebte Mutter ... du unartiges Mädchen«, sagte der große Mann mit tiefer, rauer Stimme. Dann sprach sein drahtiger Kumpan dieselben Worte.
    Chiyo blickte Reiko verzweifelt an. »Ich glaube nicht, dass es einer von den beiden war. Sie hören sich zu jung an.«
    »Was meinst du, Fumiko?«, fragte Reiko.
    Das Mädchen schüttelte betrübt den Kopf.
    »Das war's dann wohl«, sagte Jirocho mit düsterer Miene. Auch Sano und Kumazawa machten grimmige Gesichter, als sie sahen, wie die beiden Gefangenen triumphierende Blicke tauschten.
    Sano blickte Jirocho und Major Kumazawa an. »Habt Ihr diese Kerle schon einmal irgendwo gesehen?«
    »Nein«, antworteten beide.
    Reiko versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.
    Plötzlich sagte Fumiko: »Sagt ihnen, sie sollen sich ausziehen!«
    »Was?«, stieß Jirocho ungläubig hervor, packte Fumiko am Arm und riss sie herum, sodass sie ihm ins Gesicht blicken musste. »Was soll das? Hattest du nicht schon genug Spaß mit deinem Entführer? Kriegst du den Hals denn nie voll? Du kleine Hure!«
    Er hob die Hand, um das Mädchen zu schlagen, doch Sano ging dazwischen und stieß ihn zur Tür. »Raus mit Euch! Ich habe Euch gewarnt!«
    Während Marume und Fukida den Bandenführer davonzerrten, flüsterte Fumiko: »Papa ...« Dann sagte sie zu den anderen: »Ich habe es nicht so gemeint, wie er es verstanden hat.«
    Chiyo trat neben das Mädchen. »Ich weiß«, sagte sie und legte Fumiko den Arm um die Schulter. »Du willst wissen, ob wir die Männer an ihrem Körper wiedererkennen, nicht wahr?«
    Zu Reikos Erstaunen erwiderte Fumiko Chiyos Umarmung, wobei sie bestätigend nickte. Offenbar war zwischen der Frau und dem Mädchen, die aus so unterschiedlichen Welten stammten, durch ihre gemeinsamen schrecklichen Erlebnisse eine persönliche Verbindung entstanden.
    Sano befahl den Gefangenen, sich auszuziehen. Sie gehorchten und ließen ihre Kleidungsstücke auf die Veranda fallen. Major Kumazawa sagte zu Chiyo: »Du musst nicht hinschauen.«
    »Doch, Vater«, erwiderte sie entschlossen, »das muss ich.«
    Schließlich standen die Gefangenen nackt vor dem Spalier. Der große Mann, dem es sichtlich peinlich war, stand nach vorn gebeugt da, während sein drahtiger Freund in seiner Nervosität anzüglich grinste, wobei sein Glied sich aufrichtete.
    Reiko wandte den Blick ab, als eine scheußliche Erinnerung sie plötzlich überfiel. Sie hatte schon öfter nackte Männer gesehen - Bettler auf den Straßen, Jugendliche beim Schwimmen im Fluss und natürlich ihren Ehemann -, aber einen Fremden hatte sie nur ein Mal aus solcher Nähe nackt gesehen: Es war ein Mann gewesen, der sich »Drachenkönig« genannt hatte. Er hatte Reiko entführt und beinahe vergewaltigt. Übelkeit stieg in ihr auf, und ihr Puls raste. Starr hielt sie den Blick auf Chiyo und Fumiko gerichtet.
    Chiyo runzelte die Stirn, betrachtete die beiden Männer und sagte unglücklich: »Ich weiß es nicht ... Es tut mir leid. Ich kann mich nicht erinnern.«
    Fumiko wandte sich ab. Sie wirkte enttäuscht. »Der Kerl, den ich meine, hatte ein schwarzes Muttermal auf seinem Ding«, sagte sie. »Die beiden haben keins.«
    Der große Mann lachte schallend, während sein drahtiger Kumpan vor Erleichterung kicherte. Fumiko stürmte zur Tür hinaus. Major Kumazawa sagte: »Jetzt reicht es aber wirklich«, und verließ mit Chiyo ebenfalls den Raum.
    »Bring die beiden wieder in ihre Zelle!«, rief Sano Hirata zu.
    Die Verdächtigen hoben ihre Kleidungsstücke auf, dann führte Hirata sie weg.

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