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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Körper seine einzige Waffe.
    Midori folgte ihm durch den dunklen Garten. »Wovor hast du Angst?«, fragte sie. »Du kannst jeden Gegner besiegen. Außerdem sind überall auf dem Anwesen unsere Wachsoldaten. Niemand kommt bis zu uns durch.«
    Doch Hirata hörte Midori gar nicht zu. Er rannte los, bewegte sich im Zickzack durch den Garten, lauernd, wachsam, kampfbereit. Er kam sich vor wie eine Katze, die einem Wollknäuel hinterherjagt, das von unsichtbarer Hand ruckartig mal in diese, mal in jene Richtung gezogen wurde, ohne dass er es je erwischen konnte. Das Pulsieren der fremdartigen Energie kam nun aus allen Richtungen. Schließlich stürmte Hirata aus dem Garten und rannte durch eine Gasse, die zwischen zwei Gebäuden seines Anwesens verlief. Midori fiel zurück. Hirata hörte sie noch rufen, er solle zurückkommen, dann stürmte er auch schon durch ein Tor, das auf die Straße vor seinem Anwesen führte.
    »Wo bist du?«, rief er. »Zeig dich!«
    Das Bellen von Hunden und die Geräusche der Pferde einer berittenen Patrouille irgendwo vor ihm in der Dunkelheit waren die einzige Antwort. Die Straße, die zwischen den Mauern benachbarter Anwesen hindurchführte, lag verlassen im Mondlicht. Es war ein idyllisches Bild, doch Hirata hatte keinen Blick dafür.
    Sein unsichtbarer Feind hatte Zugang zum Palast! Weder die hohen Mauern noch die Tokugawa-Armee hatten ihn fernhalten könnten. Jetzt konnte der Unbekannte nahe genug an Hirata heran, um zuzuschlagen, wann immer er wollte.

28.

    Bei Tagesanbruch ritt Sano mit Marume, Fukida und einem Trupp Begleitsoldaten in westlicher Richtung aus der Stadt. Die Fernstraße führte über einen Hügelkamm am Zōjō-Tempelbezirk vorbei. Die Klänge von Gongs und Glocken wehten aus der Ferne heran. Türme und Pagoden ragten in die dunstige Luft und verschwanden bald darauf in Wolken, die am Rand von der aufgehenden Sonne in leuchtendes Rot getaucht wurden.
    Sano und seine Begleiter ritten an Kojimachi vorbei, einem Vorort von Edo, der berühmt war für seine Fabriken, in denen Sojabohnen fermentiert und zu Bohnenpaste verarbeitet wurden. Der Geruch hüllte Sano und die anderen ein wie eine Wolke aus Salz und Fäulnis, sodass die Männer aufatmeten, als sie Yotsua erreichten, einen weiter entfernten Vorort der Millionenstadt.
    Sano hörte die Hundezwinger der Tokugawa, noch bevor sie in Sicht kamen.
    Das Bellen und Jaulen der Tiere hallte über die Dächer der Läden und Teehäuser an der Hauptstraße hinweg und über die Villen und Anwesen, die mächtigen daimyo und anderen Gefolgsleuten der Tokugawa gehörten.
    »Was für ein Lärm!«, rief Marume. »Wie kann hier jemand wohnen?«
    Das Getöse wurde immer lauter, je näher Sano und seine Leute den Hundezwingern kamen. Auch der Geruch der Tiere wurde stärker. Schließlich tauchte die Anlage, die von der Regierung unterhalten wurden, vor ihnen auf, ein riesiges Gelände, von einer Steinmauer umschlossen. Es lag zwischen den Randbezirken von Edo und den Bauernhöfen, Feldern und Wäldern dahinter.
    Der Geruch von Fäkalien nahm Sano und seinen Leuten schier den Atem. Marume hielt sich die Nase zu. Sano versuchte, nicht zu atmen, als er auf das unbewachte Tor zuhielt. Seine Begleitsoldaten ritten als Erste auf das Gelände. Als Sano und die Ermittler folgten, wurde der Gestank übelkeiterregend, der Lärm ohrenbetäubend. An die vierzigtausend Hunde waren hier untergebracht, allesamt Streuner, die man auf den Straßen der Stadt eingefangen hatte, geschützt durch die Gesetze des Shōgun. Hier hatten die Tiere ihr Zuhause, hier wurden sie gefüttert und von den Straßen ferngehalten.
    Auf einem schlammigen Hof lagen schlichte Holzschuppen nebeneinander, deren Türen offen standen, sodass man die Käfige im Innern sehen konnte, in denen die Hunde untergebracht waren.
    Ein Rudel frei umherlaufender großer Tiere - einige gefleckt und kurzhaarig, andere braun oder schwarz und mit zotteligem Fell - sprang auf Sano zu. Die Hunde kläfften und knurrten, als sie näher kamen. Jeder trug ein Lederhalsband mit eisernen Dornen. Sie fletschten die Zähne. In ihren Augen loderte Mordlust.
    »Vorsicht!«, rief Fukida.
    Die Pferde scheuten, wieherten schrill und schlugen mit den Vorderhufen aus. Plötzlich übertönte ein gellender Pfiff den Lärm. Augenblicklich zogen die Hunde sich zurück, belauerten Sano und dessen Männer jedoch mit angelegten Ohren, wobei sie tief in der Kehle knurrten. Vier Samurai kamen über den Hof auf Sano zu. Sie

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