Der Wüstenpalast
deshalb gestern Abend so in Panik geraten?”, fragte er, streckte die Hand aus und zog sie unbarmherzig zu sich empor. “Ich habe dich herbringen lassen, damit du meine Frau wirst!”
Seine zweite Frau … Fassungslos starrte Bethany ihn an, bevor sie ihre Hände losriss und flüchtete.
Nach dem ersten Bogengang fand sie sich in einem luxuriös ausgestatteten Empfangsraum wieder, wo sie die Augen schloss, um sich wieder zu beruhigen.
Er will mir die Ehe anbieten … Ein halbersticktes Lachen entfuhr Bethany. Kein Wunder, dass man mich am Flughafen wie eine Prinzessin behandelt hat. Kein Wunder, dass ich von Kopf bis Fuß bedient werde. Jeder außer mir ist davon ausgegangen, dass meiner Ankunft die Hochzeit folgt!
Eine polygame Ehe. Die Lehre des Koran besagte, dass ein Muslim berechtigt war, bis zu vier Ehefrauen zur gleichen Zeit zu haben. Und wenn er es wünschte, konnte er es durch kluge Scheidungen auf noch viel mehr bringen. Für die Exfrauen musste selbstverständlich gesorgt werden. Ein Grund, weshalb Polygamie in der arabischen Welt mittlerweile weniger häufig praktiziert wurde, waren die kaum aufzubringenden Kosten für den Unterhalt mehrerer Familien. Aber Razul war unermesslich reich.
Es war eigenartig, dass es Bethany vor zwei Jahren nie in den Sinn gekommen war, Razul könnte möglicherweise schon verheiratet sein. Die Boulevardpresse hatte sich dazu nicht geäußert. Andererseits … vielleicht war er zu dem Zeitpunkt ja auch noch gar nicht verheiratet gewesen.
Bethany legte sich die bebenden Hände vor das kalte Gesicht.
“Was quält dich?”, hörte sie da eine schroffe Stimme. “Vielleicht bist du beschämt darüber, dass du mich so falsch eingeschätzt hast”, meinte Razul bissig. “Ich bin doch kein Schmutzfink, der einer schutzlosen Frau seine unerwünschten Aufmerksamkeiten aufdrängt! Glaubst du wirklich, mein Vater hätte es zugelassen, dass ich eine Engländerin hierher bringe, ohne die Absicht, sie zu heiraten? Hältst du uns für unzivilisierte Wilde?”
“Und Prinzessin Fatima?”, wisperte Bethany mühsam.
“Fatima muss lernen, sich anzupassen. Das ist nicht mein Problem”, erklärte Razul ärgerlich und machte eine wegwerfende Handbewegung. “Ich habe nichts getan, dessen ich mich schämen müsste. Zwei lange Jahre habe ich auf dich gewartet, und das weiß sie genau …”
“Dein Mitgefühl ist geradezu überwältigend”, murmelte sie, mit ihrer Übelkeit kämpfend.
“Mitgefühl ist nie unendlich, genauso wenig wie Nachsicht. Wieso reagierst du so? Das ergibt keinen Sinn!”, warf Razul ihr vor.
“Gestern Abend …” Bethany suchte nach Worten. “Du hast davon gesprochen, wie es sein würde, wenn ich in meine Welt zurückkehrte … Da hast du nicht an Heirat gedacht!”
Razul presste die Lippen aufeinander. “Ich habe deutlich gemacht, dass ich, falls du unglücklich sein solltest, dich freigeben würde. Ich würde mich scheiden lassen. Aber erst, nachdem du unserer Ehe eine echte und faire Chance gegeben hast.”
Bethany drehte den Kopf zur Seite. “Ich könnte dich niemals heiraten.”
“Sag nicht nie zu mir, das werde ich nicht akzeptieren.”
“Ich bestehe darauf, dass du mir einen Wagen rufst, der mich zum Flughafen bringt.”
“Das lehne ich ab.” Razul schien gekränkt.
“Du hast Angst, dein Gesicht zu verlieren …” äußerte Bethany ihre Vermutung. Falls er seiner Familie mitgeteilt hatte, dass er die Absicht hatte, sie zu heiraten, und sie sich weigerte, wäre das eine ungeheure Demütigung für ihn.
“Schon wieder beleidigst du mich.” Razul warf ihr einen erzürnten Blick zu, die Hände zu beiden Seiten zu Fäusten geballt. “Das, was zwischen uns ist, geht viel tiefer als etwas so Oberflächliches wie das, was du
Gesichtsverlust
nennst!”
Leichenblass, aber mit ebenso eisernem Willen wie er, hielt sie ihm stand. “Zwischen uns ist nichts und wird auch nie etwas sein. Das musst du einfach akzeptieren. Meiner Meinung nach ist dein einziges Interesse an mir die Tatsache, dass ich vor zwei Jahren nein gesagt habe! Dein Ego kann nicht damit fertig werden, dass es eine Frau auf der Welt gibt, die nichts mit dir zu tun haben will!”
“Wenn du solche Lügen aussprichst, verliere ich all meine Geduld!”, brauste Razul auf, sodass Bethany zusammenzuckte. Mit einem Schritt war er dicht vor ihr. “Diese Lügen sind die reinste Provokation!”
Er schloss die starken Arme um sie, und Bethany wurde starr. Eindringlich ließ er seinen
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