Der Wüstenpalast
Scham und Abscheu sich selbst und Razul gegenüber.
“Fatima …” flüsterte sie, den Kopf gesenkt.
“Was hat sie denn mit uns zu tun?”, meinte Razul verärgert. “Sprich ihren Namen in meiner Gegenwart nie wieder aus!”
Wie kann er so gefühllos reden? Und wie konnte ich nur Fatima vergessen? Tränen schossen Bethany in die Augen, und sie sprang auf.
“Du musst mich gehen lassen!”
“Du bist wahrhaftig die störrischste Frau, die ich je getroffen habe”, antwortete Razul gereizt. “Warum kannst du nicht mit mir sprechen? Warum begegnest du mir noch immer mit demselben Schweigen? Hast du solche Vorurteile gegen meine Rasse, dass du nicht einmal imstande bist, auf dein eigenes Herz zu hören?”
Dass er ihr jetzt auch noch Rassismus vorwarf, das war endgültig zuviel. Mit einem stummen Blick voller Bitterkeit stürzte Bethany davon.
Gewaltsam unterdrückte sie ihre Tränen, als sie Zulema erblickte, die oben an der Treppe auf sie wartete, und kehrte mit dieser in ihre Palasträume zurück.
Dort lief Bethany hektisch auf und ab und machte sich die schlimmsten Vorwürfe. Wie konnte ich es zulassen, dass er mich so anfasst? Aber vielleicht ist es ja auch meine eigene Schuld. Schließlich bin ich mit meinen siebenundzwanzig Jahren nur deshalb noch Jungfrau, weil ich bisher noch nie jemanden so nahe an mich herangelassen habe …
Zwei lange Jahre hatte Razul sie nicht vergessen. Warum? Vermutlich, weil Bethany eine Herausforderung darstellte. In England war sie von Razul auf beinahe militärische Weise belagert worden. Er hatte sie mit Blumen und teurem Schmuck überschüttet. Zwei Monate an der Universität hatten Razul gelehrt, was die meisten westlichen Frauen von einem arabischen Prinzen erwarteten. Bethany hingegen hatte den Schmuck unbeeindruckt zurückgegeben, doch das hatte ihn keineswegs abgeschreckt.
Etwas, wofür Razul kämpfen musste, war für ihn tausendmal begehrenswerter als das, was er leicht haben konnte. Nach und nach begriff er, dass Bethany anders war als die anderen Frauen, und änderte seine Taktik. Ein wunderhübsches Perserkätzchen landete eines Tages plötzlich vor ihrer Tür. Wenn Bethany bis spätabends in der Bibliothek arbeitete, stand draußen ein anonym bezahltes Taxi bereit, das sie nach Hause brachte. Und anstatt in Discos oder Nachtclubs lud Razul sie in die Oper und zu Gastvorlesungen ein.
Wieder und wieder lehnte sie ab, schob die Arbeit oder anderweitige gesellschaftliche Verpflichtungen vor. Dass Bethany sich so standhaft weigerte, die heftige Anziehung zwischen ihnen anzuerkennen, ja, sie zum Schluss sogar leugnete, obwohl beide wussten, dass dies eine Lüge war, hatte Razul erbittert und ihn rasend wütend gemacht. Genau deshalb hatte er sie nicht vergessen.
Bethany bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Irgendwie musste sie Razul dazu bringen, sie freizugeben. Allerdings hegte sie den unguten Verdacht, dass er offenbar wirklich glaubte, sie könnte sich geschmeichelt fühlen, weil er sich solch ungeheure Mühe gegeben hatte, sie nach Datar zu locken. Vor allem, da dies aus rein ehrenhaften Motiven geschehen war.
Eine Ehe! Der Mann muss verrückt sein, dachte sie. Abgesehen davon, dass ich ihn verabscheue, versteht er denn nicht, was für eine kulturelle Kluft uns trennt?
Ohne jegliche Vorwarnung flog da die Schlafzimmertür auf.
Verblüfft sah Bethany sich einer umwerfenden brünetten Schönheit in einem phantastischen zitronengelben Brokatkostüm gegenüber, die vor ihr auf der Schwelle stand. Mit ihren großen glänzendbraunen Augen betrachtete sie Bethany, den roten Schmollmund verächtlich gekräuselt.
“Ich bin Fatima …”
Bethany war wie gelähmt. Razuls Frau. Außerstande, irgendetwas zu sagen, wäre Bethany am liebsten im Erdboden versunken.
Fatima sah sie voller Abscheu an. “Haare in der Farbe von Karotten!”, zischte sie. “Du hässliche englische Hexe!”
Dies ist keine arme, weinende, gequälte Frau, dachte Bethany benommen. Keine Spur von Tränen war auf dem bemerkenswert schönen Gesicht zu sehen. Stattdessen wurde es von einem Ausdruck solch unterdrückter Gewalttätigkeit und unbezähmbarer Wut beherrscht, dass Bethany fast einen tätlichen Angriff befürchtete.
“Du glaubst, du kannst meinen Platz einnehmen … Aber ich sage dir, was Razul dir geben wird!”, schrie Fatima und kam auf sie zu. “Er wird dich in einer unechten Heirat zur Frau nehmen und keine wirkliche Ehe mit dir eingehen!
Mut’a
… Du bist ja so
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