Der Wüstenpalast
Stunden zählen, bis ich dich in meinem Bett habe”, stieß er abgerissen hervor und war dann genauso plötzlich wieder verschwunden, wie er gekommen war.
Kraftlos und wie betäubt vor Schwäche glitt Bethany an der Wand hinab. Was soll ich tun, falls Fatima mir nicht hilft? dachte sie hilflos.
Doch Fatima brauchte nicht lange, um ihre Vorkehrungen zu treffen. In weniger als einer halben Stunde nach Razuls Abgang war sie zurück. Wieder wurde die Tür ohne vorheriges Klopfen geöffnet, und eine tiefverschleierte Gestalt stand auf der Schwelle. Fatima war in den weiten Tschador gehüllt, der die weibliche Figur von Kopf bis Fuß verhüllte, in der Tat eine äußerst wirkungsvolle Verkleidung. Bethany erkannte die Besucherin lediglich an den zitronengelben Pumps. Ein Kleiderbündel wurde ihr zugeworfen.
“Beeil dich … Der Wagen wartet auf uns!”, zischte Fatima ungeduldig.
“Jetzt?”
“Hast du’s dir anders überlegt?”
“Nein, natürlich nicht!”, versicherte Bethany hastig.
Mit hämmerndem Herzen streifte sie den zeltartigen Tschador über.
“Versteck die Hände in den Taschen”, wies Fatima sie an. “Und halte den Kopf gesenkt und sag nichts.”
Auf dem Korridor war niemand zu sehen, auch Zulema nicht.
Bethany fand es ungeheuer schwierig, mit all dem vielen Stoff, der um sie herumwehte, zu laufen. Wenn ich zu Hause bin, werde ich darüber lachen, dachte sie. Aber das stimmte nicht. Sie wusste, dass sie Razul nie mehr wiedersehen würde, und deshalb war sie böse auf sich selbst und gleichzeitig traurig.
Fatima führte Bethany auf einen staubigen, gepflasterten Hof hinaus, der durch eine lange Reihe von Garagen begrenzt wurde. Ein Jeep stand mit laufendem Motor bereit.
Bethany kletterte hinter ihrer Führerin her auf den Rücksitz. Der Wagen brauste davon, und Bethany achtete wegen des Fahrers sorgfältig darauf, ihren Kopf immer gesenkt zu halten.
In einer halben Stunde müssten wir am Flughafen sein, überlegte sie, ihre Umhängetasche unter dem Tschador fest an sich gedrückt. Immerhin habe ich meinen Pass noch, wenn auch kein Flugticket. Aber was soll’s, irgendeinen Flug werde ich schon kriegen, egal wohin. Hauptsache, ich komme raus aus Datar!
Schaukelnd und schwankend donnerte das Fahrzeug über die Piste. Sie fuhren mit bemerkenswert hoher Geschwindigkeit.
Erst nach einer Weile schrak Bethany aus ihren Träumereien auf. Die Fahrt dauerte wesentlich länger als erwartet. Sich zur Seite drehend, wagte sie einen Blick aus einem der Seitenfenster und stellte erstaunt fest, dass der Geländewagen im Begriff war, eine flache Salzebene zu durchqueren. Eine Straße gab es hier nicht, und weit und breit waren keine anderen Wagen in Sicht.
Bethany machte den Mund auf. “Wo …?”
Sie stieß einen gedämpften Schmerzenslaut aus, als sich nadelspitze Fingernägel in ihre entblößte Hand gruben. Bethany fuhr herum. Ihr Blick begegnete Fatimas zornblitzenden braunen Augen, und sie schluckte. Bebend verbarg sie ihre Hand erneut, aber sie konnte spüren, wie das Blut daraus hervorquoll.
Minuten der Anspannung vergingen. Bethany wusste nicht, was sie tun sollte. Vor ihnen ging die Ebene in eine Dünenlandschaft über. Wohin, um alles in der Welt, fahren wir? fragte Bethany sich beunruhigt. Wohin bringt Fatima mich?
Auf einmal hörte sie ein Rascheln von vorne. Eine verschleierte weibliche Gestalt erhob sich aus ihrem Versteck am Boden des Fahrzeugs und nahm auf dem Vordersitz Platz.
“Zwei Frauen haben den Palast verlassen, und zwei werden auch wieder zurückkehren”, teilte Fatima Bethany honigsüß mit. “Niemand wird vermuten, dass du mit mir weggegangen bist.”
“Wo, zum Henker, sind wir hier?”
Der Jeep stoppte abrupt im Schatten einer großen Düne. Der Fahrer sprang hinaus und öffnete die Tür auf Bethanys Seite.
“Raus!” Fatima legte ihr beide Hände auf die Schultern und versetzte ihr einen kräftigen Stoß.
Bethany war dermaßen erschrocken, dass sie ohne Weiteres das Gleichgewicht verlor und kopfüber draußen auf die Erde fiel. Nach Luft ringend, hörte sie Fatimas schrille Beschimpfungen und ihre Prophezeiung, dass die Wüstensonne schon dafür sorgen würde, dass ihre blasse weiße Haut ruiniert werde und ihr das Haar ausfiele, sodass kein Mann sie je wieder ansähe.
Bethany rappelte sich auf und befreite sich aus den Stoffmassen des Tschador. “Sie können mich doch nicht ganz allein hier draußen zurücklassen!”
Der Jeep machte einen Satz rückwärts,
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