Der Wüstenpalast
und Bethany wurde beinahe von der noch offen stehenden Wagentür getroffen, die Fatima gleich darauf zuschlug.
Bethany sprang beiseite und blieb dann in der glühenden Sonnenhitze stehen, wie gelähmt, dass jemand ihr so etwas antun konnte. Sie war fuchsteufelswild auf sich, einer Frau vertraut zu haben, von der sie gewusst hatte, dass sie vor Zorn und Eifersucht außer sich war.
Bethany schaute auf die Uhr. Wie viele Kilometer konnte dieser Wagen in über einer Stunde geschafft haben? Und das Schlimmste daran war, dass bald die Dunkelheit hereinbrechen würde.
Auf der Suche nach einem Aussichtspunkt begann Bethany den Aufstieg durch den ständig unter ihr nachgebenden Sand zum Kamm der Düne. Es dauerte viel länger und kostete sie mehr Anstrengung, als sie angenommen hatte. Kurz bevor sie oben angelangt war, krümmte sie sich zusammen. Es fiel ihr schwer, in der heißen Luft zu atmen, und ihr war schwindelig.
Nachdem sie ihr Ziel erreicht hatte, strengte sie ihre Augen gegen das flirrende Sonnenlicht an. Sie glaubte zu halluzinieren, als sie nur etwa dreißig Meter unter sich den Anfang einer großen Zahl schwarzer Beduinenzelte erblickte.
Bethany blinzelte und überzeugte sich dann noch einmal davon, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Dies war tatsächlich ein Beduinenlager, und zwar ein sehr großes. Dass es sich hierbei nur um einen wunderbaren Zufall handelte, daran glaubte sie keine Sekunde. Offenbar hatte der Fahrer lediglich dem Anschein nach getan, was Fatima von ihm verlangte, war jedoch kein Irrer und hatte daher selbst die Stelle gewählt, wo Bethany ausgesetzt wurde, in dem Vertrauen darauf, dass ihr hier nicht allzu viel zustoßen konnte.
Eine Gruppe farbenfroh gekleideter Kinder entdeckte sie zuerst. Laut schreiend liefen sie vor ihr her. Frauen spähten aus dem dämmrigen Inneren ihrer Zelte. Bethany folgte den Kindern, bis eine große Schar Männer aus dem größten der Zelte herausströmte und sich ihr in den Weg stellte. Von anfänglichem Schock wandelte sich der Ausdruck auf ihren dunklen, wettergegerbten Mienen hin zu offenkundiger Missbilligung. Sie standen im Kreis um Bethany herum und ergingen sich in lautstarkem Wortwechsel auf Arabisch, der von aufgeregtem Gestikulieren begleitet wurde.
Ein kleiner, dicklicher Mann mit einem grauen Bart, schwarzen Augen und bekleidet mit goldgefassten Gewändern näherte sich Bethany und fixierte sie streng. “Sie sind Prinz Razuls Braut?”
Rotes Haar in Datar ist offensichtlich so, als ob man zwei Köpfe hat, dachte Bethany. Wenn eine idiotische Engländerin mit roten Haaren ächzend und stöhnend aus der Wüste kommt und ein albernes Lächeln zur Schau trägt, können die Leute hier sie sofort beim Namen nennen. Zulema hatte also nicht übertrieben, als sie behauptete, jeder im Land wüsste über Bethany Bescheid.
“Ich bin Razuls Onkel, Scheich Abdul al Rashidai Harun.”
Bethanys Lächeln schwand. Zweifellos ging es hier um das Prinzip der Familiensolidarität, und Bethany hatte das ungute Gefühl, dass Scheich Abdul den Anblick von Razuls Braut, die offenbar frei und auf der Flucht war, als keine geringe Beleidigung empfand.
“Ich habe mich verirrt”, murmelte sie daher verlegen, fühlte sich aber so erhitzt und erschöpft, dass sich die Welt um sie herum zu drehen begann.
“Sie werden sich nicht wieder verirren”, verkündete Scheich Abdul und holte mit theatralischer Geste ein Funktelefon aus dem Ärmel. “Der Zorn meines Neffen ist wie ein Sandsturm, höchst gefährlich, wenn er erst einmal erregt ist. Es ist eine Freude, das zu erleben.”
Bethany taumelte, woraufhin eine Frau sie am Ärmel zupfte und man sie in den Schutz eines geräumigen Zeltes geleitete.
In einschüchterndem Schweigen wurde ihr Wasser zum Waschen gebracht, danach wurde ihr Tee serviert sowie eine Auswahl köstlicher Leckerbissen.
Sobald die Dunkelheit einsetzte, wurden die kunstvoll gearbeiteten Messinglampen an den Zeltpfählen entzündet, und als sie schließlich allein war, sank Bethany auf eine kelimbedeckte Ottomane nieder und schmiegte ihre Wange in ein seidenes Kissen. Die lebhaften Farben der herrlichen Shirazteppiche, die an den Zeltwänden hingen, verschwammen ihr vor den Augen, und die Lider wurden ihr schwer.
Als Bethany nach einer sehr unruhigen Nacht aufwachte, lag sie unter einer Decke, die sie sogleich von sich warf, da ihr unangenehm warm war. Sie setzte sich auf, sodass ihr die langen Wellen wie ein Vorhang um die Schultern fielen,
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