Der Wunschtraummann
ich dafür noch viel zu wacklig auf den Beinen.
Doch statt zu mir ans Bett zu kommen, dreht er sich um und geht zu seinem DVD -Regal. »Wow, warum ist mir das nicht schon viel früher eingefallen?«, sagt er ganz aufgeregt. »Du freust dir ein Loch ins Knie!«
»Toll«, sage ich und lächele etwas verwirrt. Seb ist so süß, wenn er sich für irgendwas begeistert.
»Ta-daah!« Triumphierend zieht er eine große Schachtel heraus. »Da ist sie!«
»Da ist was?«, frage ich lachend.
»Ach, bloß die digital überarbeitete Box-Set-Edition von Star Wars: Die komplette Saga. Episode I bis VI .« Sein Gesicht ist hochrot vor Aufregung. »Die komplette Serie!«
Mir rutscht das Herz in die Kniekehlen.
»Alle sechs Filme«, fährt er begeistert fort. »Auf Blu-ray!«
Ich starre ihn wortlos an, während mein Hirn langsam den Sinn seiner Worte erfasst. O Gott, das darf doch nicht wahr sein. Was ist aus dem faulen Sonntag im Bett mit EastEnders geworden?
Nun liegt plötzlich ein Tag vor mir wie eine unendliche intergalaktische Schlacht … Digital überarbeitet und hoch aufgelöst.
»Es ist der Director’s Cut, also mit all den rausgeschnittenen Szenen, den Einblicken hinter die Kulissen, Interviews und sogar bisher noch unveröffentlichten Special Effects, die aus der ursprünglichen Fassung rausgeschnitten wurden.«
Das Lächeln gefriert mir im Gesicht. Mir fehlen die Worte.
»Dachte ich mir doch, dass dich das aufmuntert und dir ein Lächeln ins Gesicht zaubert«, meint Seb grinsend, der mein entsetztes Schweigen wohl für Verzückung hält. »Stell dir vor, du kannst den ganzen Tag faul im Bett liegen und Star Wars gucken und brauchst dich nicht zu bewegen.« Wobei er schon eine der kleinen Silberscheiben herauszieht.
Genau das stelle ich mir tatsächlich vor, und es ist der reinste Horror. Einer dieser Star-Wars -Filme war ja schon schlimm genug. Und nun soll ich mir gleich sechs davon anschauen? Hintereinander weg? Mir kommt es vor wie lebenslänglich.
»Ach, weißt du, vielleicht schaue ich lieber ein bisschen fern – die Fernbedienung für den DVD -Spieler scheint mir doch ziemlich kompliziert«, sage ich schließlich, als ich die Sprache wiedergefunden habe. Demonstrativ wedele ich mit der Fernbedienung und ziehe eine Grimasse, um ihm zu zeigen, was für ein hoffnungsloser Technikdepp ich doch bin.
»Nein, gar nicht, das ist kinderleicht«, ruft Seb begeistert und walzt meinen Einwand einfach platt. »Ich habe einen ganz neuen DVD -Spieler, der fasst bis zu sechs DVD s gleichzeitig, du brauchst also gar nichts zu tun.« Und dann drückt er auf eine Taste, und ein Halter springt heraus, den er dann gleich fleißig mit DVD s bestückt. »Der läuft stundenlang. Du brauchst bloß noch PLAY zu drücken.«
»Toll«, krächze ich.
»Ja, nicht?«, entgegnet er grinsend und drückt für mich auf die Fernbedienung.
»Und wieso lässt du dann heute nicht mal ausnahmsweise das Fitnessstudio sausen und bleibst hier, und wir schauen uns die Filme gemeinsam an?«, frage ich verzweifelt. Na ja, wenn ich mir den Quatsch schon angucken muss, dann lieber an Seb gekuschelt als mutterseelenallein.
Aber es hat keinen Zweck. »Tut mir leid, ich muss los«, sagt er und verzieht das Gesicht. »Viel Spaß!«
»Oh … okay, dir auch.«
Es kommt mir fast vor, als könne er es gar nicht erwarten, schnell wegzukommen.
Und dann drückt er mir noch schnell einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ist auch schon verschwunden. Ich höre die Wohnungstür hinter ihm zuschlagen, und dann dröhnt die Titelmelodie los:
»Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …«
Mein Bauch grummelt lautstark. O nein, nicht schon wieder …
Vierundzwanzigstes Kapitel
Montagmorgen schaffe ich es schließlich, endlich vom Klo runterzukommen, um ins Büro zu gehen. Vorher hatte ich mir ernsthaft überlegt, mich krankzumelden, aber ich wollte Sir Richard nicht hängen lassen, und außerdem konnte ich den Gedanken an weitere Science-Fiction-Filme einfach nicht ertragen. Malas scharfer Chili-Rindfleisch-Topf hätte mich beinahe umgebracht, aber Sebs gesamte DVD -Sammlung hätte mir vermutlich den Rest gegeben.
Doch das Ganze hat auch etwas Positives: Seb und ich sind uns nicht nur so nahe wie nie zuvor, ich habe auch die beinahe fünf Pfund Winterspeck abgenommen, die seit Weihnachten dazugekommen waren. Nun sitze ich am Schreibtisch und trinke ein Schlückchen Pepto Bismol, um den Magen zu beruhigen (heute Morgen musste
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