Der Wunschtraummann
als Warnung, dass er jeden Augenblick zubeißen könnte. Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst. O nein, bitte, lieber Gott, nein. Ich weiß, ich wollte, dass diesmal alles anders ist, aber ich glaube, womöglich bin ich etwas zu weit gegangen. Seb glücklich zu machen ist ja schön und gut, aber es kann doch wohl kaum Sinn der Sache sein, dass ich selbst dabei krank werde.
Andererseits ist er wirklich sehr lieb und fürsorglich und kümmert sich rührend um mich. Ich kann mich glücklich schätzen, einen so rücksichtsvollen Freund zu haben.
»Okay, na ja, ich muss los«, sagt er mit einem Blick auf die Uhr.
Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Er muss weg? »Wo willst du denn hin?«, frage ich, als er zügig durch das Schlafzimmer tappt und in seinem begehbaren Kleiderschrank verschwindet.
»Laufen«, entgegnet er mit gedämpfter Stimme, um gleich darauf im Trainingsanzug wieder aufzutauchen. »Ich weiß, eigentlich wollten wir zusammen laufen, aber da du krank bist …« Er bricht ab.
»Natürlich, geh ruhig.« Ich ringe mir ein strahlendes Lächeln ab. Wenn ich heute überhaupt irgendwo hinlaufe, dann nur in Richtung Toilette. »Und wann kommst du wieder?«
»Vermutlich am späten Nachmittag. Anschließend wollte ich ins Fitnessstudio, ein bisschen an den Gewichten arbeiten, und anschließend in die Sauna. Am Wochenende mache ich immer das ganze Programm.«
»Aha, verstehe.« Irgendwie hatte ich angenommen, er wäre höchstens eine Stunde weg. »Na ja, dann viel Spaß, und mach dir um mich keine Sorgen«, versuche ich ihn zu beruhigen und mich gleich mit. Was ist schon dabei, dass Seb nicht zu Hause bleibt und mir Gesellschaft leistet? Ich bin nicht enttäuscht, ich kann das verstehen. Okay, ich gestehe, wäre es andersherum, würde ich das nicht bringen, aber Mädels sind da nun mal anders, oder?
»Am besten bleibst du einfach im Bett und schaust fern.« Womit er auf den riesengroßen Flachbildschirm zeigt, der im Schlafzimmer an der Wand hängt.
»Ja, das mache ich«, sage ich und nicke zur Bekräftigung. Vielleicht wird es ja sogar ganz nett, den ganzen Tag zu Hause zu bleiben. In Ruhe fernzusehen. Mich auszuruhen. Ich fühle mich richtig schwach und wacklig auf den Beinen und möchte mich auf keinen Fall allzu weit vom Badezimmer entfernen. So was wie gestern Abend will ich so bald nicht noch mal erleben.
Bei der Erinnerung daran erschaudere ich. Ich wage es gar nicht, auch nur an meine neue sexy Unterwäsche zu denken. Die liegt vollkommen ruiniert ganz unten in meiner Handtasche, denn ich war, wie soll ich es ausdrücken, nicht ganz schnell genug. Ich sage Ihnen, scharfes Essen sollte einen Warnhinweis haben: »Könnte Ihrem Sexleben und Ihrer Unterwäsche ernsthaften Schaden zufügen.«
»Ach, und ehe ich es vergesse, Freunde von mir heiraten demnächst, und ich wollte dich fragen, ob du vielleicht zu der Hochzeit mitkommen möchtest?«, fragt er ganz beiläufig und dehnt dabei die Oberschenkel.
»Zu einer Hochzeit?« Bei dem Wort vergesse ich sofort jeden Gedanken an ruinierte Unterwäsche und freue mich unbändig. Er fragt mich gerade, ob ich mit ihm zur Hochzeit seiner Freunde gehen will. Jetzt schon .
»Na ja, nicht unbedingt Freunde«, verbessert er sich, »mehr Kollegen.«
Meine Gedanken überschlagen sich. Wen interessiert es, wessen Hochzeit das ist? Man weiß doch, ein Kerl muss es schon verdammt ernst meinen, wenn er seine Freundin zu einer Hochzeit mitnimmt. Das ist eine unausgesprochene Regel. Man nimmt die Freundin nicht mit und schaut zu, wie ein anderes Paar den Gang zum Altar entlangschreitet, wenn man nicht vorhat, es ihnen nachzutun. Das ist wie eine öffentliche Bekanntmachung – genauso gut könnte man eine Anzeige in der Times veröffentlichen, in der steht: »Hier, ihr Lieben, ist sie, meine zukünftige Ehefrau!«
»Wann denn?«, frage ich und gebe mir Mühe, nicht allzu begeistert zu wirken. Himmel, was soll ich bloß anziehen? Ich brauche ein neues Kleid. Und neue Schuhe.
»Mittwoch in einer Woche, ist aber bloß eine standesamtliche Trauung. Sie sind beide Anwälte und haben nachmittags noch Termine …« Er lässt seinen Fußknöchel los und verbiegt sich zu einer Rumpfbeuge. »Was meinst du?«
O wow, ja, ich würde mich schrecklich freuen, wann treffen wir uns, soll ich ein Geschenk besorgen …?
Die Worte stehen bereit, aufgereiht wie Fallschirmspringer im Flugzeug, und wollen mir schon aus dem Mund purzeln, als mir plötzlich wieder das letzte Mal
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