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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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kann, dass ich vollkommen wahnsinnig sein muss.
    Nach dem x-ten Sturz versuche ich gerade, mich wieder aus dem Schnee hochzurappeln, als ich plötzlich ein gedämpftes Wummern vernehme. Komisch, aber es klingt beinahe wie mein Handy. Moment, das ist mein Handy, geht mir dann auf, und ich fange hektisch an, in meinen vielen Kleiderschichten danach zu suchen. Endlich finde ich es, kurz bevor der Anrufer auflegt.
    »Hey, ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen.«
    Es ist Fergus. Er klingt, als sei es dringend.
    »Entschuldige, ich war oben auf einem Berg – da war sicher kein Empfang.«
    »Ich wollte mit dir reden, Tess.«
    »Tatsächlich?« Komisch, aber das freut mich irgendwie.
    »Sara hat mir geantwortet.«
    Und dann bin ich plötzlich etwas enttäuscht.
    »Und ich brauche deinen Rat als Frau.«
    »Ja, klar, schieß los«, entgegne ich und sammle mich rasch.
    Er räuspert sich und liest vor:
    »Lieber Fergus,
    wie schön, dass du dich für die Arbeit mit den Elefanten interessierst, aber leider wird das Schutzzentrum von buddhistischen Mönchen geleitet, die nur praktizierende Buddhisten aufnehmen. Tut mir leid. Liebe Grüße, Sara (Karma Dechen Palmo – Strahlende Frau von großer Glückseligkeit)«
    Es entsteht eine kurze Pause, dann fragt er: »Und, was meinst du?«
    Ich meine, dass es mir nicht leichtgefallen ist, mir eine plausible Ausrede einfallen zu lassen, und es hat ewig gedauert, diesen buddhistischen Namen im Netz zu suchen. Ich habe gestern fast eine Stunde in dem Café gesessen und gegooglet!
    Aber was ich denke und sage, sind natürlich zwei Paar Schuhe. Ich schlucke schwer. Ich muss jetzt sehr vorsichtig sein, schließlich will ich es nicht noch schlimmer machen, als es ohnehin schon ist.
    »Na ja, zumindest hast du es versucht«, sage ich zaghaft, wobei mein Blick zufällig zu meinem Skilehrer François geht, der mich finster anstiert und vorwurfsvoll auf mein Handy zeigt. Was eigentlich eine Unverschämtheit ist, weil sein eigenes Telefon quasi permanent an seinem Ohr klebt. Ich bedeute ihm mit behandschuhten Fingern »nur eine Minute« und warte auf Fergus’ Antwort.
    Es dauert ewig, bis er was sagt, und dann …
    »Ja, du hast recht.« Fergus seufzt am anderen Ende der Leitung tief auf.
    Ohne es zu merken, habe ich die ganze Zeit die Luft angehalten und kaum zu atmen gewagt, und nun schnaufe ich erleichtert aus. Oh, Gott sei Dank. Katastrophe abgewendet. Ich kriege ganz weiche Knie vor Erleichterung.
    Doch die ist nur von kurzer Dauer.
    »Aber irgendwie sage ich mir: Weißt du was, Fergus, wenn du etwas wirklich willst, dann geh und hole es dir.«
    Mein Mund wird trocken. »Tatsächlich?«, krächze ich.
    »Mein ganzes Leben lang hatte ich immer solche Angst zu versagen, dass ich mich nie getraut habe, etwas zu riskieren. Ich meine, gut, ich habe es mit der Schauspielerei versucht, aber habe ich es wirklich versucht? Habe ich wirklich alles gegeben?«
    Meine Gedanken laufen hektisch in alle Richtungen. »Ähm … ich weiß nicht, hast du nicht?«, stammele ich, aber das war nur eine rhetorische Frage, und er redet unbeirrt weiter.
    »Ich will nicht so einfach aufgeben. Also werde ich ihr schreiben und sagen, dass ich lange darüber nachgedacht habe …«
    »Hast du das?«, unterbreche ich ihn entsetzt.
    »Ja, das habe ich«, erklärt er mit einer Entschlossenheit, die ich so gar nicht von ihm kenne. »Ma O’Flanahan wird das gar nicht gefallen und unserem Pastor auch nicht, aber ich habe viel gelesen, und weißt du was? Ich glaube, ich könnte Buddhist werden .«
    Ich klappe den Mund auf, um etwas zu sagen, doch plötzlich ist er weg.
    »Fergus? Fergus? «, rufe ich in den Hörer, und dann erst merke ich, dass die Verbindung unterbrochen ist. Verzweifelt versuche ich zurückzurufen und sehe dann erst, dass mein Display schwarz ist. So ein Dreck. Der Akku ist leer!
    Den Rest der Unterrichtsstunde versuche ich vergeblich, mich zu konzentrieren. Ich kann an nichts anderes denken als an das Gespräch mit Fergus, weshalb ich noch häufiger auf meinen vier Buchstaben lande als vorher. Ich glaube, François ist regelrecht erleichtert, als ich ihm sage, dass es meine letzte Stunde ist und ich nicht wiederkomme. Er sagt irgendwas auf Französisch, das ich nicht verstehe, aber als er mich überschwänglich umarmt und mir mit dem breitesten Lächeln, mit dem er mich je bedacht hat, hinterherwinkt, brauche ich keine Übersetzungshilfe mehr.
    Danach gehe ich schnurstracks zurück zum Chalet.

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