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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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traurig und enttäuscht sein, und das ist viel, viel schlimmer. Lieber wäre es mir, er würde mich anschreien. Das hätte ich verdient. Ich habe ihn hängen lassen. Ich habe sie alle hängen lassen.
    »Tess?«
    Eine Stimme dringt in meine Gedanken. Im ersten Augenblick glaube ich, es ist Fergus, aber dann höre ich sie wieder, lauter diesmal.
    »Tess!«
    Als ich merke, dass es nicht Fergus ist, drehe ich mich um. Ein paar Schritte weiter steht jemand und starrt mich an. Ein Mann in einem pelzbesetzten Parka, mit einer Sherlock-Holmes-Mütze auf dem Kopf, die bis über die Ohren geht. Ich gucke ihn einen Moment fragend an, und dann fällt der Groschen.
    »Ali!«, rufe ich, als ich ihn endlich erkannt habe. Na klar, das ist Ali aus dem Computerladen. Den habe ich nicht mehr gesehen, seit ich meinen Laptop abgeholt habe und wir uns gegenseitig das Herz ausgeschüttet haben. Er kommt zu mir rüber, und ich umarme ihn herzlich. »Was machst du denn hier?«
    »Ich hole meine Schwester von der Arbeit ab; wir wollten eine Kleinigkeit essen gehen. Und unsere Eltern besuchen«, fügt er mit etwas nervösem Blick hinzu.
    »Ist doch toll, Ali«, sage ich und lächele ihm aufmunternd zu. Ich weiß, wie wichtig das für ihn ist. »Das wird sicher ein schöner Abend.«
    »Na ja, darum nehme ich meine Schwester mit. Als menschliches Schutzschild, sozusagen«, gesteht er mit einem kleinen Lächeln. »Hey, Rupinda«, ruft er einer jungen Frau im roten Dufflecoat zu, die gerade von einem Wachmann aus dem Bürogebäude begleitet wird. »Komm her, ich muss dir meine Freundin Tess vorstellen und …«, er weist auf Fergus und spricht sehr leise, »… ist er das?«
    »O nein«, sage ich schnell, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. »Fergus ist nur ein Freund von mir.«
    »Hi«, grüßt uns ein hübsches indisches Mädchen, das sich im Rüberkommen die Handschuhe anzieht. »Nett, dich kennenzulernen.« Höflich reicht sie mir die behandschuhte Hand.
    »Ebenso«, entgegne ich lächelnd. Die Ähnlichkeit zwischen Ali und Rupinda ist nicht zu übersehen. »Und das ist …« Ich will gerade »Fergus« sagen, aber plötzlich kreischt Rupinda los, zieht die Hand weg und hält sie sich vor den Mund.
    »Rupi? Was ist los?« Ali macht ein besorgtes Gesicht. »Was ist passiert?«
    Aber es hat ihr die Sprache verschlagen. Die dunklen Augen funkeln, und sie schüttelt immer wieder den Kopf, als könnte sie ihren Augen nicht trauen.
    »Rupi!«, sagt er streng, und dann redet er auf Punjabi auf sie ein.
    »Alles okay?«, fragt Fergus und schaut mich beunruhigt an.
    »Keine Ahnung«, sage ich kopfschüttelnd und sehe Rupinda an, die zur Salzsäule erstarrt auf dem Bürgersteig steht. Als sie Fergus’ Stimme hört, nimmt sie die behandschuhte Hand von den Lippen und stammelt: »Er ist es!«
    »Wer?«, frage ich verdattert.
    Worauf sie die Hand hebt, Fergus unverwandt anstarrt und mit dem Finger auf ihn zeigt. Sie sieht aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen. »Der Mann aus der Werbung.«
    »Werbung?«, wiederholt Ali verwirrt.
    Rupindas Augen sind ganz glasig, und da erst geht mir auf, dass sie nicht Angst und Schrecken versprühen, sondern freudige Aufregung. »Wir kümmern uns um das, was ganz besondere Pflege braucht …« , platzt es aus ihr heraus, und sie rezitiert den Werbetext mit staunender Ehrfurcht, »sanft und doch stark und endlos lang …«
    Belustigt schaue ich Fergus an. Er ist hochrot geworden.
    »Du hast in einer Fernsehwerbung mitgespielt?«, fragt Ali, dem endlich ein Licht aufgeht.
    »Für Klopapier«, bestätigt Fergus und wirkt etwas peinlich berührt.
    »Er ist Schauspieler«, komme ich ihm zu Hilfe.
    »O Gott, ich liebe Sie!«, ruft Rupinda, und plötzlich kommt wieder Leben in sie. »Die Werbung habe ich schon tausend Mal gesehen! Das mit Ihnen und dem Kätzchen, das ist so süß …« Verträumt bricht sie ab.
    »Ich glaube, du hast einen Fan«, wispere ich, und meine Mundwinkel zucken amüsiert.
    »Danke, freut mich, dass es Ihnen gefällt«, sagt Fergus etwas befangen.
    »Ich fasse es einfach nicht, dass ich Sie tatsächlich persönlich kennenlerne«, plappert sie weiter. Dann seufzt sie tief und himmelt ihn mit großen Augen an.
    »Dein größter Fan«, zische ich und korrigiere damit meine erste Aussage.
    Fergus wirkt schrecklich verlegen, tritt von einem Bein aufs andere und errötet bis in die Haarspitzen, und dann plötzlich überkommt es ihn. Er strafft die Schultern, streicht sich das Haar aus der Stirn

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