Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
Vom Netzwerk:
sodass ich keine zehn Minuten später die wohlbekannte Eingangstür aufdrücke und in die nach Espresso duftende Wärme eintrete. Drinnen ist es recht still, nur ein paar Mütter mit ihren Kleinkindern im Kinderwagen sind da, und ich kann gleich zur Theke durchgehen. Wunderbar. Endlich Koffein.
    »Ich nehme einen Tall Tripleshot Latte«, rattere ich routiniert meine Bestellung herunter, noch ehe die Barista die Gelegenheit hat, mir einen guten Morgen zu wünschen.
    »Wollen Sie wirklich drei Espressi in einem Latte?«, fragt sie ungläubig. »Tall ist nicht besonders groß, der wird sehr stark.«
    »Genau so möchte ich ihn ja auch«, lächele ich. Das ist Musik in meinen verkaterten Ohren.
    Misstrauisch kritzelt sie meine Bestellung auf einen Becher. »Sonst noch etwas – ein Croissant vielleicht oder Muffins oder ein getoastetes Sandwich …?«
    »Nein danke, das war’s. Nur Koffein … ich meine, Kaffee«, entgegne ich rasch und krame in meiner Handtasche nach einem Fünf-Pfund-Schein, den ich ihr reiche.
    Ich nehme mein Wechselgeld, dann stelle ich mich ans Ende des Tresens und warte auf meinen Latte. Während die Barista sich daranmacht, Milch aufzuschäumen, lasse ich den Blick träge durch den Laden schweifen: über die schlechten Bilder an der Wand; die genervte Mami in der Ecke mit dem Krabbelkind, das seinen Babyccino anscheinend gleichmäßig über den ganzen Boden verteilen will; den Typen am Fenster, der eifrig auf seinen Laptop einhackt …
    Ein eiskalter Windstoß reißt mich aus meinen Gedanken, und ich schaue zur Tür, die gerade von außen geöffnet wird. Beeil dich und komm rein, es ist saukalt, fluche ich still und sehe zu, wie eine verschwommene Gestalt im Jogginganzug hinter dem Starbucks-Logo auf der Glasscheibe erscheint.
    Mein Herz und mein Magen sausen im freien Fall gen Boden.
    O Gott, das kann doch nicht wahr sein. Das darf einfach nicht wahr sein …
    Ungläubig starre ich die große, breitschultrige Gestalt an, die da geradewegs auf mich zukommt.
    Aber es ist wahr.
    Seb .
    Es ist, als wäre ich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen und raste mit hundert Meilen pro Stunde auf die Erde zu. Meine Gedanken schlagen Purzelbäume. Was macht der denn hier? Ich sehe aus wie ausgespuckt. Wahrscheinlich ist er am Fluss entlanggejoggt. Ob er mich schon gesehen hat? Himmel, ich liebe ihn immer noch. Mein Herz krampft sich zusammen. Die Wut der vergangenen Nacht ist verraucht, und mein angetrunkener Mut hat sich in Luft aufgelöst. Am liebsten möchte ich hinlaufen und ihm um den Hals fallen.
    Schnell ziehe ich mir die Mütze noch tiefer ins Gesicht, starre angestrengt auf meine Füße und zwinge mich, ganz tief durchzuatmen, aber meine Gedanken schlagen panische Haken wie ein Hase auf der Flucht. Warum, ach warum nur habe ich mich nicht wenigstens ein bisschen geschminkt? Oder zumindest den Pickel am Kinn abgedeckt? Und ein bisschen Lipgloss aufgetragen – was würde ich jetzt nicht für ein bisschen Lipgloss geben … Hektisch krame ich in meiner Manteltasche herum und finde zu meinem großen Entzücken einen Lippenbalsam. So müssen die Schürfer sich gefühlt haben, wenn sie auf Gold stießen, denke ich und schmiere mir mit der Verzweiflung einer Frau, die gerade ihren Exfreund gesichtet hat, rasch einen Klecks auf die Lippen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich sogar, mich auf dem Klo zu verstecken. Würde ich es denn dahin schaffen, ehe er mich entdeckt – aber das lässt mein Stolz, so ramponiert er auch sein mag, einfach nicht zu. Stattdessen stehe ich wie angewurzelt da, schlucke schwer und schaue auf.
    Okay. Dann also los. Ich bin so weit.
    Nichts.
    Absolut gar nichts.
    Er schaut mich direkt an. Korrigiere: Er schaut direkt durch mich hindurch , als sei ich gar nicht da. Sein Blick streift mich und wandert gleich desinteressiert weiter; er zuckt mit keiner Wimper und geht geradewegs an mir vorbei zur Theke, um sich einen Kaffee zu bestellen.
    Wie betäubt stehe ich da und starre ihm verdattert und sprachlos hinterher. Ähm, Augenblick mal, was war das denn bitte? Könnten wir noch mal kurz zurückspulen? Noch etwas zittrig in den Knien von unserer Begegnung oder vielmehr Nicht-Begegnung, stiere ich ihn ungläubig an. Das Adrenalin kursiert noch in meinen Adern, bereit für Kampf oder Flucht.
    Aber darauf war ich nicht vorbereitet. Nichts. Null. Nada.
    Das war’s?
    Ich hatte mit einer unangenehmen Begegnung gerechnet, peinlich berührten Fragen, hatte befürchtet,

Weitere Kostenlose Bücher