Der Wunschtraummann
protestiere ich rasch. »Ich habe Weihnachtsgeld bekommen.«
Anerkennend zieht Opa die Augenbrauen hoch. »Na hör mal, du bist aber ein tüchtiges Mädchen.«
Mir steigt die Röte in die Wangen. Mit Tüchtigkeit hat das gar nichts zu tun. Sondern vielmehr damit, dass ich einen ausnehmend netten Chef habe, der Mitleid mit mir hat und das ganze Jahr über schon beide Augen zugedrückt hat, weil ich so eine erbärmliche Assistentin der Geschäftsführung abgebe.
»Nein, es ist so, ich wollte dich fragen, ob ich deine Nähmaschine benutzen darf. Ich habe das hier gefunden …« Und damit wühle ich in meinem Rucksack, der auch schon bessere Zeiten erlebt hat, und ziehe schließlich ein gefaltetes Stück gemusterten Stoffs heraus, das ich kürzlich in einem Secondhandladen entdeckt habe. Einem dieser kleinen gemeinnützigen Läden, deren Erlös wohltätigen Zwecken zugutekommt und an denen ich einfach nicht vorbeigehen kann, weil man dort die wunderbarsten, seltsamsten Dinge findet. »Ich dachte, man könnte daraus eine Tasche nähen, mein Rucksack ist nämlich ein Fall für die Mülltonne, und neue Taschen sind immer so furchtbar teuer …«
Mein Opa nimmt seine Halbbrille, setzt sie sich auf die Nasenspitze und faltet den Stoff auseinander. »Hmmm …«, meint er, dreht ihn in den Händen und begutachtet ihn eingehend, »tja, das ginge, aber das ist sehr schwere Baumwolle, beinahe wie gewebte Hanffaser, und wie es aussieht, ist das so eine Art Sack …« Stirnrunzelnd schaut er auf. »Ich habe in meinem Leben schon zahllose Maßanzüge geschneidert, doch die waren aus feinstem Stoff, nicht aus Säcken«, erklärt er etwas naserümpfend. »Also, wenn wir feine Seide nehmen würden oder italienischen Kaschmir …«
»Ich möchte aber lieber diesen Stoff benutzen«, erkläre ich eigensinnig. »Und ja, du hast recht, das ist ein alter Sack. Die Frau in dem Laden meinte, eine alte Dame habe darin einige Kleider in den Laden gebracht. Angeblich ist der noch aus den fünfziger Jahren und stammt von einem Bauernhof in Frankreich. Damals hat man wohl Mehl in diesen Säcken aufbewahrt …«
»Und daraus willst du eine Tasche nähen?«, fragt er ungläubig.
»Ja, genau«, entgegne ich lächelnd. »Ich finde das Muster einfach entzückend, und ich dachte, wenn man es mit einem hübschen Stoff füttert und dann am Rand dieses Band annäht …« Ich ziehe ein Schleifenband aus Satin heraus, das ich von einem meiner Weihnachtsgeschenke aufgehoben habe – »damit sie dann so gerafft ist …«
Dauernd renne ich zu meinem Opa, damit er mir bei meinen kleinen Bastelprojekten hilft. Ständig werkele ich herum und bastele, einerseits, weil ich nicht so viel Geld habe, aber hauptsächlich, weil es mir einen riesengroßen Spaß macht, mir neue Dinge auszudenken und aus dem, was andere wegwerfen, neue, aufregende Sachen zu machen.
Wir beide stecken die Köpfe zusammen und brüten gemeinsam darüber, wie meine Idee sich umsetzen lassen könnte. »Also, was meinst du?«, frage ich schließlich, drehe mich zu ihm um und schaue ihn an.
Worauf mein Opa die Brille auf der Nase nach oben schiebt und mich durchdringend ansieht, als sei er tief in Gedanken versunken. »Du hast ein Händchen für so was«, sagt er schließlich, und ein Lächeln umspielt seine Lippen.
»Ein Händchen?«, frage ich stirnrunzelnd.
»Ich habe dir das nie gesagt, aber ich habe es immer gewusst«, meint er und wirkt sehr zufrieden mit sich. »Ich habe immer zu deiner Mutter gesagt: Tess kommt nach mir …«
»Ach, Opa«, falle ich ihm lachend ins Wort, »du warst einer der besten Schneider der gesamten Savile Row. Ich wäre aufgeschmissen, wenn ich einen Anzug schneidern müsste!«
»Das ist ganz einfach: Jeder kann lernen, die Beininnenlänge zu messen«, meint er abschätzig. »Aber eins kann man nicht lernen, und das ist der Blick .«
»Tja, ich weiß nicht …« Ich lächele, doch dieses überschwängliche Kompliment ist mir ein bisschen peinlich. Ich bin es nicht gewohnt, Komplimente zu bekommen; außer natürlich von meinem Opa. Aus unerfindlichen Gründen scheint er mich für supertalentiert und supertoll zu halten. »Mir bringt es einfach Spaß, solche Sachen zu machen, weiter nichts«, entgegne ich achselzuckend.
»Du machst nicht bloß Sachen, Tess, du kreierst neue Dinge«, korrigiert er mich und wirkt dabei wie ein stolzer Bilderbuchopa.
Ich werde rot und muss daran denken, wie mein Opa einmal zur Aufführung unseres Krippenspiels in die Schule
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