Der Wunschtraummann
Bibliothek!«
»Die Bibliothek?«, wiederhole ich verdattert.
»Ja, du weißt schon, die gibt es in fast jeder Stadt …«
»Ich weiß, was eine Bibliothek ist«, japse ich. »Ich meine bloß …«
»Bloß was? Du meinst, da gibt es bloß verstaubte Bücher und Obdachlose?«
»Nein, das meine ich nicht!«, protestiere ich.
Na ja, vielleicht doch ein kleines bisschen, denke ich schuldbewusst.
»Wann warst du das letzte Mal in einer Bibliothek?«, fragt er herausfordernd. »Die sind nämlich kaum wiederzuerkennen. Da gibt’s nicht nur Bücher, sondern auch CD s, Computerspiele, E-Books, DVD s … Ich gehe immer in die Filiale bei mir um die Ecke, da spart man ein Vermögen«, erklärt er begeistert und mit blitzenden Augen. »Probier’s doch mal bei deiner, und zwar besser heute als morgen, ehe die Stadt sie auch dichtmacht, bei all den Einsparungen …«
Während Fergus noch weiterquasselt, habe ich längst gegoogelt, wo die nächste städtische Bibliothek ist, und rufe sofort dort an. Eine Angestellte geht ran, und zum x-ten Mal an diesem Tag rattere ich meine Anfrage herunter. Nur diesmal mit anderem Ergebnis: »Sie haben ihn!«, zische ich, die Hand über den Hörer gelegt. »Okay, toll, danke, ich hole ihn nachher ab.« Als ich auflege, fällt mir ein riesiger Stein vom Herzen.
Fergus unterbricht seine Tirade gegen die Regierung. »Prima«, meint er grinsend und sieht sehr zufrieden aus. »Habe ich es dir nicht gesagt? Die jetzige Regierung allerdings …«
Aber noch ehe er sich wieder ereifern kann, unterbreche ich ihn schnell. »Hast du schon was gegessen?«, frage ich. Jetzt erst merke ich, dass ich die ganze Zeit so beschäftigt war, dass ich den ganzen Morgen noch nichts gegessen habe, und nun habe ich einen Bärenhunger. »Gleich gegenüber gibt es ein nettes kleines Café, die machen tolle überbackene Ofenkartoffeln. Nicht dieses Mikrowellenzeugs, sondern richtig im Ofen gebacken, mit knuspriger Schale und mit einer köstlichen Füllung …«
»Mhm, klingt gut, aber ich glaube, ich muss wieder los«, meint er widerstrebend, als sein Funkgerät sich einschaltet und aufdringlich knistert und knackt.
»Die Kartoffel geht auf mich, dafür, dass du mir aus der Patsche geholfen hast«, versuche ich ihn umzustimmen.
Er zögert kurz, dann schaltet er das Funkgerät aus. »Also gut, ich bin dabei«, sagt er grinsend.
»Toll«, erwidere ich lächelnd. »Ich hole schnell meinen Mantel.«
Dreizehntes Kapitel
Es ist gerade Mittagszeit, und das kleine Café ist völlig überfüllt, aber es gelingt uns, einen kleinen wackligen Tisch vor einem der Fenster zu ergattern.
»Und, wie war die Silvesterparty?«, fragt er und muss sich mit seinen langen Beinen ein bisschen verrenken, um sich in den kleinen Plastikstuhl zu quetschen.
»Toll!«, schwindele ich und nehme ihm gegenüber Platz. Bis jetzt war mir gar nicht aufgefallen, wie groß er eigentlich ist. Er muss sich wie ein Akkordeon zusammenfalten, damit die Knie unter das Tischchen passen. »Und bei dir?«, erkundige ich mich höflich.
Jetzt, wo wir nicht mehr im Büro sind und zu zweit in diesem Café sitzen, frage ich mich, ob das wirklich so eine gute Idee war. Irgendwie bin ich plötzlich etwas befangen. Schließlich kenne ich ihn kaum. Worüber sollen wir uns denn jetzt unterhalten?
»Ziemlich übel«, meint er und grinst fröhlich.
Mit so einer Antwort habe ich nicht gerechnet.
»Es ist jedes Jahr dasselbe«, sagt er und zuckt nüchtern die Achseln. »Alle wollen sich amüsieren, aber irgendwie macht mir das keinen Spaß. Deshalb bleibe ich inzwischen einfach zu Hause. Dieses Jahr war ich wie üblich allein auf dem Sofa, habe irgendeinen Käse im Fernsehen angeschaut und mir gewünscht, das ganze Theater möge möglichst schnell und schmerzlos über die Bühne gehen.« Er lacht. »Ich weiß, ich klinge bestimmt wie eine totale Spaßbremse …«
»Nein … nein, gar nicht«, widerspreche ich und fühle mich ihm plötzlich sehr verbunden. »Geht mir genauso.«
»Wirklich?« Mit hochgezogenen Augenbrauen schaut er mich an und scheint erstaunt. »Tja, dann würde ich sagen, wir haben ein Date. Für nächstes Silvester. Deine Couch oder meine?«
Ich muss lachen und fange langsam an, mich zu entspannen.
»Also, was kannst du mir empfehlen?«, fragt er. »Ich habe einen Bärenhunger.«
»Oh … die verschiedenen Füllungen stehen alle hier drauf«, beeile ich mich zu erklären und reiche ihm eine der kleinen laminierten
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