Der Wunschtraummann
stimmt: Sex ist wirklich wie Fahrradfahren. Wenn man erst mal wieder im Sattel sitzt …
Unter der Bettdecke strecke ich die Hand nach ihm aus und taste neben mir nach seinem warmen Körper. Bloß – Moment mal, wo ist er denn?
Ich reiße die Augen auf und sehe, wie die Rollladen energisch hochgezogen werden, und da steht Seb, hellwach und im Trainingsanzug.
»Zeit für eine kleine Runde.«
»Was?«
»Ich dachte, du willst vielleicht mitkommen«, meint er grinsend, schnappt sich seine Baseballkappe und setzt sie verkehrt herum auf. »Du hast mir doch gesagt, wie sportbesessen du bist.«
Ungläubig blinzele ich ihn in dem harschen winterlichen Licht an, das durch die Fenster fällt, und komme mir vor, als hätte mir jemand gerade eine eiskalte Dusche verpasst.
»Hab ich das?«, quieke ich alarmiert, und dann erinnere ich mich wieder an den Abend im Pub. »Ähm … ja, hab ich … ich meine, bin ich«, korrigiere ich mich rasch und stemme mich aus den Kissen hoch. Mit den Ellbogen stütze ich mich ab und reibe mir den Schlaf aus den Augen.
»Wobei ihr Military-Fitness-Typen ja so superfit seid – bestimmt lässt du mich eiskalt im Regen stehen«, meint er lachend.
Ihn stehen lassen? Wie benebelt schaue ich ihn an. Früher hat er mich immer noch ein bisschen weiterdösen lassen, wenn er joggen ging, aber die Zeiten sind vorbei. Heute hält er mich für eine Fitness-Fanatikerin. Heute glaubt er, ich gehöre zu diesen Verrückten, die in der Eiseskälte im Park rumlaufen und sich dabei von einem Kerl in Tarnhosen anschreien lassen.
»Und danach kannst du mir mal zeigen, wie das mit dem Bankdrücken geht«, meint er augenzwinkernd.
Bankdrücken? »Ähm … würde ich ja liebend gerne …« Verzweifelt durchforste ich mein matschiges Hirn nach einer guten Ausrede, doch das scheint sich noch im Halbschlaf zu befinden. Und dann kommt mit plötzlich der rettende Einfall. »Ich hab keine Laufschuhe dabei.«
Was absolut der Wahrheit entspricht. Und wenn ich welche dabeihätte, würde ich natürlich mitlaufen. Ehrlich.
»Vielleicht kann ich dir welche von meinen ausleihen«, schlägt er munter vor. »Was hast du denn für eine Größe?«
»Winzig klein«, sage ich schnell, wohl wissend, dass Seb Schuhgröße 43 trägt.
Er macht ein langes Gesicht vor Enttäuschung. »Wie schade.«
»Ich weiß, sehr schade«, pflichte ich ihm bei und ziehe eine Grimasse.
»Na ja, dann beim nächsten Mal.« Und dann beugt er sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss. »Ich bin gleich wieder da, lauf ja nicht weg.«
»Okay, wenn du darauf bestehst.« Ich schenke ihm ein kleines Lächeln.
»Ich bestehe darauf«, murmelt er und küsst mich intensiver. »Die letzte Nacht war unglaublich, du warst unglaublich, was du da mit mir gemacht hast …« Seine Hand huscht unter die Bettdecke und zieht mich zu sich heran. »Woher wusstest du …«
»Ich will doch nicht zu viel verraten«, wispere ich, öffne den Reißverschluss seines Jogginganzugs und schlüpfe mit der Hand hinein.
Sein Atem wird heftiger. »Weißt du was, vielleicht lasse ich das Laufen heute Morgen mal ausfallen.«
Auf einer fluffigen Sexwolke schwebe ich ins Büro. Einer weißen flauschigen orgiastischen Sexwolke, die mich von Sebs Wohnung in die U-Bahn trägt, zu Starbucks und durch die Drehtür bei Blackstock & White, als säße ich auf einem unsichtbaren fliegenden Teppich.
Nichts kann meine gute Laune trüben. Nicht die überfüllte U-Bahn und der Anzugträger, der mir ständig auf die Zehen tritt. Nicht die meterlange Warteschlange bei Starbucks. Und auch nicht die Hagelwolke, die mir die ganze Straße entlang zu folgen scheint und mich mit kleinen harten Eiskügelchen bombardiert.
Nicht mal, dass Seb heute Morgen geschäftlich nach Genf fliegen musste und das ganze Wochenende weg ist.
Nein, ich flaniere mit einem breiten Grinsen im Gesicht durchs Leben und muss immer wieder daran denken, was in der vergangenen Woche alles passiert ist. Es war wie ein Wirbelsturm, ich hatte kaum Zeit zum Luftholen. Wenn wir nicht zusammen waren, dann haben wir uns ständig angerufen, gesimst, gemailt … Es ist unglaublich. Wir haben uns erst zweimal getroffen, aber es ist fast, als seien wir uns schon näher denn je zuvor. Als gebe es eine tiefere Verbindung irgendwie. Es ist komisch, wenn ich früher hörte, wie Leute davon erzählten, sie lägen mit jemandem auf einer Wellenlänge, dann habe ich gar nicht verstanden, was sie damit meinten.
Jetzt schon.
Und nun sitze
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