Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
angespannte Stille, während sie an ihrer Zigarette zieht und den Rauch aus den Nasenlöchern entweichen lässt. »Ich dachte, es wäre eine echte Beziehung, aber für ihn war es offenbar nur eine Affäre. Eine schmutzige kleine Aff äre.« Sie drückt ihre Zigarette aus und trinkt einen großen Schluck Wein. »Großer Gott, ich habe mit dem Mann einer anderen Frau geschlafen.«
Wortlos lasse ich die Eiswürfel in meinem Gin Tonic kreisen. Mir fällt nichts ein, was ich darauf erwidern könnte.
Irrtümlicherweise interpretiert sie mein Schweigen als Vorwurf. »Du brauchst mich gar nicht so anzusehen.«
»Was? Tue ich doch gar nicht.«
»Mag sein, dass ich mit einigen Männern geschlafen habe. O.K., mit vielen …«
Auf der anderen Seite der Bar sitzt ein Paar mittleren Alters mit ihren Koffern bei einer Tasse Kaffee und wartet offenbar auf ihren Transfer zum Flughafen. Sie sehen zu uns herüber, der Anblick der aufgebrachten kettenrauchenden, Rotwein trinkenden Stewardess scheint sie mit Unbehagen zu erfüllen.
»… aber ich gehe nicht mit verheirateten Männern ins Bett«, protestiert Jess laut. »Das ist mein oberstes Prinzip, Heather, mein oberstes Prinzip.« Sie schlägt mit einer Hand auf den Tresen und zerfleddert schnaubend einen Pappuntersetzer. Ihre Augen schwimmen in Tränen. »Mein oberstes Prinzip«, wiederholt sie, während eine einzelne Träne über ihre Wange kullert und auf die Bar tropft.
»Oh, Jess, komm her.« Ich lege ihr den Arm um die Schultern und ziehe sie an mich. Während ich ihren gedämpften Schluchzern lausche, wird mir bewusst, dass ich wegen der Trennung von James keine einzige Träne vergossen habe.
»Ich komme mir so idiotisch vor«, sagt sie schließlich und schnieft in meine Spitzenbluse. Ich spüre die Feuchtigkeit ihrer Tränen an meiner Schulter. Sie hebt den Kopf und wischt sich mit dem Zeigefinger den verschmierten Eyeliner ab. »Ich dachte, diesmal hätte ich es geschafft. Ich war so vorsichtig, habe genau aufgepasst, dass ich die Häkchen an den richtigen Stellen mache.«
»Es gibt aber keine Garantie«, sage ich leise beim Gedanken an James.
»Das weiß ich jetzt auch.« Sie hebt ihr Glas an die Lippen, nimmt noch einen Schluck und starrt ins Leere. »Ich rede nie von meinem Vater, stimmt’s?« Es ist fast, als spreche sie mit sich selbst, nicht mit mir, also höre ich ihr einfach nur zu.
»Das liegt daran, dass ich ihn nie kennen gelernt habe. Ich habe nur ein paar Fotos von ihm gesehen. Er war Saxophonspieler in einer Band und hat sehr gut ausgesehen. Mum hat gemeint, sie hätte sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Und er hat zu ihr gesagt, bei ihm sei es genauso gewesen.« Sie hält inne, um sich eine weitere Zigarette anzuzünden. »Er hat ihr eine Menge Dinge erzählt. Dass er ein Haus kaufen würde, dass sie heiraten würden und er der beste Ehemann und Vater der Welt werden würde.« Sie schnippt die Asche ab und stößt den Rauch aus. »Er hat sie verlassen, noch bevor ich geboren wurde. Einfach so. Hat sich vom Acker gemacht. Und sich nie wieder gemeldet. Meine Mutter war 18 und im sechsten Monat schwanger. Es hat ihr das Herz gebrochen, und ich glaube nicht, dass diese Wunde jemals geheilt ist.« Jess schnieft, und einen Augenblick lang fürchte ich, dass sie erneut in Tränen ausbricht, aber dann lächelt sie. »Sie ist eine Überlebenskünstlerin, meine Mum. Allein, ledig und ein Teenager - na ja, du weißt ja, was so etwas in den Sechzigern bedeutet hat. Und sie war schwarz. Meine Mum musste im Lauf der Jahre so ziemlich jede Beleidigung über sich ergehen lassen, die man sich vorstellen kann.«
Sie malt mit dem Finger Muster auf ihr Glas, und ich sehe, wie ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen. »Es war ein echter Kampf, und sie hat zwei Jobs gleichzeitig angenommen, aber sie hat es geschafft. Sie hat mich ganz allein großgezogen. Ehrlich, meine Mom ist wirklich toll. Mir hat es nie an etwas gefehlt. O.K., wir haben in keinem besonders großen Haus gelebt, hatten kein Auto oder Urlaub im Ausland gemacht.« Wehmütig betrachtet sie ihre Uniform. »Das ist der Grund, weshalb ich mich für diesen Job entschieden habe. Als ich noch klein war, habe ich immer davon geträumt, schnell erwachsen zu werden und mir die ganze Welt anzusehen.« Jess lächelt, fast verlegen angesichts ihres Geständnisses, und nippt an ihrem Wein. »Und ich habe mir geschworen, dass ich mich niemals verlieben und zulassen werde, von irgendeinem miesen Kerl so
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