Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
mir einen Weg durch den dichten Zigarettenqualm zur Bar. Die Kneipe ist gesteckt voll mit Männern, die mit ihren Gläsern in der Hand und offenem Mund wie gebannt an dem Fernseher in der Ecke des Gastraums hängen. Ich schnalze mit der Zunge. Natürlich. Hätte ich mir ja denken können. Fußball.
»Hab ich mir’s doch gedacht.«
Ich drehe mich um und sehe Ed in seiner ganzen Größe von einem Meter neunzig vor mir stehen. Da er direkt von der Arbeit kommt, trägt er noch seine Uniform aus grauem Anzug mit Bügelfaltenhose, einem weißen Hemd mit Button-down-Kragen und braunen Schnürschuhen. Aber wenn ich ehrlich bin, läuft er auch am Wochenende so herum.
»Wieder mal einkaufen gewesen?« Er zieht seine dichten dunklen Brauen hoch und mustert mich missbilligend, so dass sich meine neu gewonnene Euphorie schlagartig verflüchtigt. Das ist das Problem mit meinem Bruder. Er genießt es, anderen den Spaß zu verderben.
»Freut mich, dich zu sehen.« Ich umarme ihn.
»Mich auch.« Er küsst mich förmlich auf beide Wangen.
»Und, was hast du gekauft?«
Ich schwöre, dieser Kerl ist wie ein Hund mit einem Knochen.
»Ach das?«, sage ich leichthin, hebe eine Schulter und sehe die Tüte an, als hätte ich sie eben erst bemerkt. Komm schon, denk nach, Heather. Ich durchforste mein Gehirn nach einer plausiblen Erklärung. Entweder dir fällt etwas ein, oder du darfst dir einen Vortrag über Sparen für die Zukunft anhören. Ehrlich, mein Bruder sollte Banker sein, nicht Kieferorthopäde. »Es ist ein Geschenk«, stoße ich mit einem Anflug von Triumph hervor. Brillant, Heather.
»Für wen?«
Okay, ich weiß nicht, ob er mich aufs Glatteis führen will oder ob es ihn wirklich interessiert, aber da ich meinen Bruder kenne, entscheide ich mich für Ersteres.
»Äh …« Im Geiste gehe ich mein Adressbuch nach jemand Passendem durch. Hmm, keine Geburtstage, Jahrestage oder so, aber … »Rosemary.«
»Ehrlich?« Ed sieht aufrichtig beeindruckt aus. »Wie nett von dir, Schwesterchen.«
Ich lächle unbehaglich. »Es ist nur eine Kleinigkeit«, wiegle ich ab, wohl wissend, dass ich mir gerade eine hübsche Grube grabe, bei der ich keine Ahnung habe, wie ich wieder herauskommen soll.
»Ich bin froh, dass ihr beide euch endlich besser versteht«, fährt er fort, kreuzt die Arme und mustert mich mit brüderlichem Wohlwollen. Ed hat eine völlig andere Beziehung zu Rosemary als ich. Was zum Teil daran liegt, dass er ein erfolgreicher Kieferorthopäde mit eigener Praxis in der Harley Street ist, was ihn in den Augen der snobistischen Rosemary automatisch aufwertet. Der andere Grund ist, dass er immer zu beschäftigt ist, um nach Bath zu fahren, während Rosemary sich weigert, nach London zu kommen - »in diese schmutzige, überfüllte Stadt« - so dass er nie gezwungen ist, Zeit mit ihr zu verbringen.
»Lionel wird begeistert sein«, fährt Ed fort, während ich einen Anflug schlechten Gewissens verspüre. Meinen Vater verletzen ist das Letzte, was ich will.
»Ja, ich war letztes Wochenende in Bath. Er war in erstklassiger Form«, versuche ich das Thema zu wechseln, in der Hoffnung, dass er es nicht merkt.
»Er hat noch nicht mit seiner Diät angefangen, oder?«
»Was glaubst du denn?« Ich bin froh, dass ich nicht die Einzige bin, die in den Genuss von Eds Gardinenpredigten kommt. Ständig nörgelt er an Lionel herum, er solle endlich ein paar Kilo abnehmen, doch mein Vater hört nie auf ihn.
Stirnrunzelnd schüttelt Ed den Kopf. »Er muss seinen Konsum an gesättigten Fettsäuren einschränken und auf eine gesunde Ernährung umstellen. Ich meine es ernst, Schwesterherz.« Er sieht mich an, als würde ich aus irgendeinem Grund glauben, er tue es nicht. Aber wann meint Ed schon mal etwas nicht ernst? »Bei all den Milchprodukten und dem roten Fleisch, das er isst, muss sein Cholesterinspiegel schon die Schallmauer durchbrechen.«
»Und, wie geht’s Lou?«, wechsle ich das Thema. Lou ist Eds Frau, im sechsten Monat schwanger und absolut cool. Offiziell ist sie Kindergärtnerin, die kaugummirosafarbene Birkenstockschuhe trägt und Passagen aus Harry Potter auswendig zitieren kann, aber innerlich ist sie bekehrte Gothic-Anhängerin, die noch immer ein Nasenpiercing trägt und Horrorfilme liebt. Wie mein Bruder es geschafft hat, dass ihn diese witzige, quirlige Frau geheiratet hat, ist mir bis heute ein Rätsel.
»Na ja, die Morgenübelkeit hat endlich aufgehört, Gott sei Dank, dafür tritt Boris sie jetzt grün und
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