Der Zauber deiner Lippen
ihr Wohltäter, als ein sehr, sehr lieber und pflichtbewusster Onkel. Und bei jeder Begegnung würde sie schmerzhaft zu spüren bekommen, dass ihre Liebe nicht erwidert wurde, dass ihre Sehnsüchte nie erfüllt würden.
Sie musste weg, weg von ihm. Jetzt. Sofort. Die Gefühle, die sie für ihn hegte, und ihr unbefriedigtes Verlangen nach ihm machten sie krank. Und für ihr Kind musste sie nicht nur körperlich, sondern auch psychisch gesund sein.
„Cybele …“ Er zog sie wieder an sich, und sie spürte seine Erregung. Was war das? Er begehrte sie? Aber wahrscheinlich war das die ganz normale Reaktion eines gesunden Mannes, der eine Frau in den Armen hielt, und hatte nichts Besonderes zu bedeuten.
Andererseits war das vielleicht die einzige und letzte Gelegenheit, mit ihm zusammen zu sein und ihre Sehnsucht zu stillen. Wenigstens einmal, und später würde sie an diese Liebesnacht denken und daraus Trost ziehen können.
Leise stöhnend schmiegte sie sich an ihn, küsste ihn auf den Hals und liebkoste die Stelle, wo sie seinen schnellen Puls fühlte. Sie spürte, wie Rodrigo die Muskeln anspannte, und klammerte sich nur noch fester an ihn. Er durfte sie jetzt nicht zurückstoßen, das könnte sie nicht ertragen.
„Cybele, querida , ich …“, fing er an und versuchte, sich von ihr zu lösen. Doch sie hielt ihn fest und presste ihm die Lippen auf den Mund, bevor er sie zurückstoßen konnte. Diesmal würde sie kein Nein akzeptieren.
Er stieß einen dumpfen Laut aus und packte sie fester, während er den Kuss verlangend erwiderte. Fast besinnungslos vor Sehnsucht, drängte sie sich immer wieder an seine Hüfte. „Rodrigo, ich sehne mich so nach dir … Wenn du mich auch willst, bitte, nimm mich. Denk nicht darüber nach, halt dich nicht zurück. Und mach dir keine Sorgen. Ich erwarte nichts, ich will dich nur lieben, jetzt, in diesem Augenblick. Was morgen ist, interessiert mich nicht …“
Und Rodrigo überließ sich Cybele, erwiderte ihre zärtlichen Liebkosungen und ihre heißen Küssen, genoss ihre geflüsterten Beteuerungen, wie sexy er sei, wie sehr sie ihn begehre und wie gern sie sich ihm hingeben wolle. Und sosehr sein Verlangen dadurch auch gesteigert wurde, seine Begierde, sie auszuziehen und in sie einzudringen, ihre Worte wirkten wie ein verborgener Stachel in ihm fort.
Carte blanche – er konnte mit ihr tun, was er wollte, sie hatte sich ihm ganz ausgeliefert, zumindest körperlich. Ohne Bindung, ohne Erwartungen, ohne Verpflichtungen. Bedeutete das, dass sie auch nicht mehr wollte, dass sie ihn nur als Sexpartner betrachtete? Oder hatte sie Angst vor mehr? Wenn sie aber noch nicht einmal für das, was sie ihm anbot, kräftig genug war? Wieder verspürte er den Drang, sie vor sich selbst zu schützen, auch wenn sein Verlangen noch so stark war. Wenn sie nun nicht wusste, was sie tat, und hinterher alles bitter bereute?
„Cybele, du bist außer dir und …“
Wieder verschloss sie ihm die Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss. „Weil ich verrückt nach dir bin“, stieß sie dann schwer atmend hervor. „Ich weiß, was ich will … Bitte, Rodrigo, bitte, nur dieses eine Mal …“
Dieses eine Mal? Glaubte sie wirklich, dass er mit einem Mal zufrieden sein könnte? Dass er sie nur einmal liebte und dann aus ihrem Leben verschwand? Oder sich dazu überwinden könnte, sie danach wieder nur als Patientin zu sehen? Und sie, wäre ihr Bedürfnis mit einem Mal befriedigt? Konnte sie für ihn nichts weiter empfinden als sexuelle Begierde, weil ihre Fähigkeit zu lieben mit Mel gestorben war? Auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnerte?
Nein, das hatte alles keinen Sinn. Er löste sich von ihr und trat ein paar Schritte zurück. Verzweifelt streckte sie die Arme nach ihm aus und ließ sie kraftlos fallen, als sie sah, dass es ihm ernst war. Tränen traten ihr in die Augen und liefen ihr über die Wangen. „Ich weiß“, schluchzte sie, „du willst mich nicht. Du hast es schon einmal sehr deutlich gemacht, und ich bin trotzdem wiedergekommen …“ Mit hängenden Schultern drehte sie sich langsam um und verließ den Dachgarten.
Sollte er sie gehen lassen? Ja. Aber natürlich musste er mit ihr sprechen, allerdings nicht in einer Situation, in der er nichts so sehr ersehnte, wie sie leidenschaftlich zu lieben. Dennoch war er enttäuscht. Aber diese Enttäuschung war nicht so schlimm wie die, die sie erleben würde, wenn ihr klar wurde, worauf sie sich eingelassen hatte. Andererseits musste
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