Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
sie schreibt, und schon gar nicht, was, außer einem einzigen Mann, der sie zu ihren Büchern inspiriert und für den sie sie schreibt. Für sie ist es unverzichtbar, eine absolut geheime Existenz in einer unsichtbaren Welt zu führen, dort keimt und entfaltet sich ihre Inspiration.
Woher ich das weiß? Sie hat es uns gesagt, Francesca und mir, bei dem einzigen Mal, als wir sie gesehen haben. Warum sie es uns gesagt hat, obwohl es ihr so wichtig ist, ihr Leben abzuschirmen? Weil sie vor einer Zusage wissen wollte, ob wir uns verpflichten würden, ihre Abschottung zu respektieren und zu schützen. Als wir sie trafen, um sie zu fragen, ob sie bei dem Komitee mitmachen würde – was überhaupt nur über ihren Verleger möglich war –, kannten weder Francesca noch ich mehr als ihr schriftstellerisches Talent und den Namen, unter dem sie veröffentlichte. Ihre wahre Identität kannten wir nicht. An jenem Tag machte sie ihre Teilnahme am Komitee von einer Bedingung abhängig. Sie war begeistert von unserem Projekt, aber sie nahm uns das Versprechen ab, dass wir nie versuchen würden, ihren wahren Namen herauszufinden. Gestern Abend am Telefon enthüllte sie mir zwar, welche Art Leben sie führt, aber ihre wahre Identität gab sie nicht preis.«
Armel knabberte an seinem Daumen.
»Ich überlege gerade etwas«, sagte er. »Wissen die Schweine, die sie den Abhang hinuntergeschickt haben, wirklich, mit wem sie es zu tun hatten? Wissen sie alles über sie? Das ist keineswegs sicher. Collet wurde wahrscheinlich in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Komitees Der gute Roman angegriffen, genau wie Brother Brandy und ich. Nehmen wir an, ihr Name im Pass lautet Madame Schöne-Engländerin. Die Barbaren haben herausgefunden, dass Madame Schöne-Engländerin und Collet Monté ein und dieselbe sind. Aber wissen sie, dass Madame Schöne-Engländerin unter einem Pseudonym Bücher schreibt? Und was sie schreibt? Möglicherweise nicht.«
Van nickte bedächtig.
»Ihre Überlegung wäre für Collet sicher beruhigend. Ich werde mit Francesca darüber sprechen.«
Er ließ seinen Blick ein wenig über Armel hinwegschweifen. Le Parisien , bretonisches Bahnhofscafé, rief er sich in Erinnerung. Er hatte vergessen, dass er in Rennes war.
Armel brachte ihn auf das grundlegende Problem zurück: »Wie hat man unserer habhaft werden können, trotz all unserer Vorsichtsmaßnahmen?«
»Es war im Prinzip unmöglich. Es wurde nie eine Liste der Komiteemitglieder niedergeschrieben. Alle haben einen Decknamen. Sie wissen nicht, wer die anderen Mitglieder sind. Alle sprachen nur mit mir und nur von einem bestimmten Handy aus. Wir haben uns immer nur mit unseren Decknamen angeredet. Selbst wenn man meinen Computer hätte knacken können, wären Sie nicht erkennbar gewesen. Irgendjemand hat Ihre Namen verraten. Doch wer? Francesca ist über jeden Verdacht erhaben. Anis kennt Sie nicht.«
»Natürlich, Francesca kommt nicht infrage. Wer ist Anis?«, fragte Armel.
»Die Frau, die mir am Herzen liegt«, sagte Van.
Armel fiel diese Formulierung auf, er hat sie mir später wiederholt. Er fand sie präzise und vage zugleich – aber auch nicht mehr als üblichere Formulierungen, die Frau, an die ich immer denke, oder die Frau meines Lebens.
»Sie arbeitet in der Buchhandlung«, sagte Van. »Und sie weiß natürlich, dass es ein Geheimkomitee gibt. Das weiß übrigens jeder, es ist allgemein bekannt. Doch über die Zusammensetzung des Komitees weiß sie nichts.«
Ivan besann sich. Es war, als spräche er zu sich selbst.
»Vielleicht habe ich ihr über das eine oder andere Mitglied etwas gesagt, aber nie im Zusammenhang mit seinem wahren Namen, da bin ich sicher. Und Anis … Nein. Sie nicht.«
Seine Stimme nahm wieder einen bestimmteren Ton an.
»Wir werden die undichte Stelle finden. Das ist nicht das Dringlichste. Wichtig ist jetzt, diese unheilvolle Serie zu beenden. Die anderen müssen unbedingt geschützt werden. Morgen Vormittag gehe ich zur Polizei und sage ihr alles. Es sollte mich wundern, wenn Francesca nicht damit einverstanden wäre. Wenn dann mehr Menschen etwas über die Zusammensetzung des Komitees erfahren, dann ist es eben so. Wir können nicht tatenlos zusehen. Mit Ihnen gibt es acht Komiteemitglieder. Ich will kein viertes Attentat.«
»Acht?«, hakte Armel nach. »Ich habe mir immer vier oder fünf vorgestellt.«
»Zu viert oder fünft hätten Sie vielleicht einen zu ähnlichen Geschmack gehabt. Mit einem größeren Komitee war
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