Der Zauber einer Winternacht
wider. Obwohl sie genau wie ihr Vater Lebensqualität mehr schätzte als eine lange Lebensdauer, wollte sie, dass er begriff: Liebe war sehr viel mehr als ein bisschen Sentimentalität.
„Der Wert eines Menschen – oder eines Hundes – kann nicht danach bemessen werden, wie nützlich er ist oder wie viel Mühe er einem macht“, fügte sie deshalb hinzu.
Gillian verstand, dass sie alles, was sie liebte, vor Menschen beschützen musste, die Mensch und Tier gleichermaßen einer kalten Kosten-Nutzen-Rechnung unterwarfen.
Ihr Vater lächelte und gab ihr einen Gutenachtkuss. Dann sagte er: „Liebes, ich weiß, dass das Leben dir böse mitgespielt hat, aber denk daran: Bryce ist ein guter Mann, und die Zeit heilt wirklich alle Wunden.“
Zu ausgelaugt, um mit ihm zu streiten, streichelte sie ihm nur die Hand. „Mach dir bitte keine unnützen Hoffnungen, Dad. Bryce und ich, wir finden nicht wieder zueinander.“
Dann ging sie zurück ins Haupthaus und fragte sich dabei, wie sie die nächsten Tage überstehen sollte – zusammengepfercht mit dem einzigen Mann, den sie gleichermaßen intensiv geliebt wie gehasst hatte.
Zurück im Wohnzimmer stellte sie erfreut fest, dass ein frisches Holzscheit im Kamin brannte und der Raum leer war. Jetzt musste sie nur noch ins Bett schlüpfen, ohne Bryce zu stören.
Und erleben, wie er sich ungebeten in ihre Träume schlich.
7. KAPITEL
Eigentlich hatte Bryce keinen Grund gehabt, das Feuer zu schüren. Ihm war mehr als warm genug. Wenn er nur daran dachte, wie sexy Gillian in diesen lächerlichen rosa Unterhosen ausgesehen hatte … Es verwirrte ihn, wie wenig er sich beherrschen konnte und wie einfach die Flucht vor der Lawine gewesen war verglichen mit der Flucht vor den eigenen Gefühlen.
Frustriert beschloss er, jeden Gedanken an Gillians attraktiven Körper schnellstmöglich aus seinem Kopf zu verbannen, ins Bett zu gehen und umgehend einzuschlafen. Nach den Anstrengungen des Tages würde ihm das kaum schwerfallen – so meinte er.
Die wenigen Sachen, die er mitgebracht hatte, waren schnell ausgepackt. Da er ohnehin am liebsten nackt schlief, störte es ihn nicht, dass kein Schlafanzug mehr in seinen Rucksack gepasst hatte. Bryce schlüpfte unter die kühle Bettdecke – und stellte verwundert fest, dass er trotz seiner Erschöpfung nicht einschlafen konnte. Eigentlich hatte er gehofft, längst im Land der Träume zu sein, bevor Gillian nach oben kam und dank der hellhörigen Wände seine Fantasie neu anheizte.
Das Mondlicht fiel durchs Fenster auf eines der vielen Bilder von Virginia Baron, die im Haus hingen. Sie war eine sehr schöne Frau gewesen, mit der gleichen gütigen Ausstrahlung, die Bryce zunächst bei ihrer Tochter so angezogen hatte. Er begann zu grübeln. Wenn Virginia noch am Leben gewesen wäre, ob sie dann wohl geschafft hätte, was ihm nicht gelungen war: Gillian aus dem Grab zu befreien, in dem sie Bonnie zur Ruhe gelegt hatten? Bryce fand es tragisch, dass ein lebenslustiger Mann wie John nicht wieder geheiratet hatte.
Wahrscheinlich machte es einen Unterschied, wie man den Partner verlor: durch den Tod oder durch Trennung im Leben. Vi brachte sein Blut nicht so in Wallung wie Gillian, aber sie liebte und schätzte ihn so, wie er war. Sie erwartete nicht, dass er sich für sie zweiteilte.
Oder vollkommen war.
Vi war eine Frau, die das Wohl ihres Kindes über das eigene stellte. Eine Frau, die sich ihrer selbst und auch seiner sicher genug war, um ihn ohne Aufhebens allein eine solche Reise antreten zu lassen. Bryce glaubte, sie könnte ihm eventuell sogar vergeben, dass er Gillian geküsst hatte. Vi würde darin vermutlich nichts weiter sehen, als die impulsive Reaktion eines Mannes, der gerade glücklich einer Lawine entkommen war und sich einfach freute, noch am Leben zu sein. Trotzdem würde er ihr nicht davon erzählen. Wozu sollte er sie unnötig verletzen?
Sie hatte Besseres verdient. Bryce starrte im Dunkeln an die Decke seines Zimmers und schwor sich: Vi würde auch Besseres bekommen. Dieser dumme Kuss würde sein einziger Ausrutscher bleiben.
Nebenan wurden Schubladen aufgezogen und wieder zugeschoben. Gillian richtete sich in ihrem alten Zimmer häuslich ein, und was Bryce davon hörte, stellte seine Selbstbeherrschung erneut auf die Probe: Was sie wohl anhatte? Immer noch diese Unterhosen, die ihre weiblichen Kurven so betonten? Oder hatte sie in einem der Schränke ein sexy Nachthemd gefunden? Schlief sie vielleicht sogar nackt wie
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