Der Zauber eines fruehen Morgens
schien Mrs. Forbes-Alton tatsächlich eingeschüchtert zu haben, denn sie sorgte dafür, dass die Geschichte im ganzen Ort herumging, und lud Mog unverzüglich zu mehreren Wohltätigkeitsveranstaltungen ein, die sie selbst organisiert hatte. Eine davon fand in ihrem eigenen Haus statt, und Mog kehrte freudestrahlend von dort zurück, weil sie nicht länger geächtet wurde.
Belle fand, dass sie auf voller Linie gesiegt hatte, aber abgesehen von der Bemerkung, mit Mrs. Forbes-Alton über Miranda gesprochen zu haben, erwähnte sie Mog gegenüber nichts. Einige Wochen nach dem Artikel im Chronicle kam Constable Broadhead auf einenSprung ins Railway Inn und berichtete, Blessard sei verhaftet worden, weil er in betrunkenem Zustand einen Ziegelstein durch das Fenster der Zeitungsredaktion geschleudert hatte. Blessard hatte behauptet, dass er keine neue Anstellung bekommen und sein Zuhause verloren hatte, weil er die Miete nicht zahlen konnte. Die Polizei habe kein Mitgefühl gezeigt, sondern ihm geraten, sich schleunigst zur Armee zu melden und auf diese Weise seine Probleme zu lösen.
Es bestand kein Zweifel, dass die Armee immer noch Männer brauchte, sogar Schwächlinge wie Blessard. Das wehrfähige Alter wurde auf einundfünfzig heraufgesetzt, und Garth, der soeben diesen kritischen Meilenstein passiert hatte, scherzte, noch nie so gern sein wahres Alter angegeben zu haben. Die Amerikaner waren endlich in großer Zahl in Frankreich gelandet und beteiligten sich an den Kampfhandlungen, und obwohl sie unerfahren waren, gaben sie den Briten neue Hoffnung auf einen möglichen Sieg.
Belle hatte einen Brief von Vera bekommen, in dem stand, dass Etaples bombardiert worden, das Lazarett zum Glück aber verschont worden sei. Doch sie schrieb, andere Lazarette, die näher bei der Front lagen, seien getroffen worden und Stromleitungen zusammengebrochen. Operationen würden nun beim Licht von Öllampen durchgeführt. Es kamen so viele Verwundete herein, dass in einem Zeitraum von vier Tagen zweihundertdreiundsiebzig Eingriffe vorgenommen wurden und Ärzte und Krankenschwestern um acht Uhr morgens mit der Arbeit anfingen und bis zum nächsten Vormittag durchhalten mussten. Da viele amerikanische Ärzte und Schwestern zu den amerikanischen Lazaretten wechselten, war das Personal, das blieb, ständig überlastet. Manchmal gab es nachts auf einer großen Krankenstation nur eine einzige Nachtschwester.
Ende März standen die Deutschen siebzig Kilometer vor Paris. Vera schrieb, dass alle Angst hatten, sie könnten als Nächste das Ziel der gefürchteten Dicken Bertha werden – als wäre es nicht schlimm genug, dass jede Nacht feindliche Jagdbomber über ihren Köpfen flogen.
Nichts von diesen bestürzenden Neuigkeiten stand in den Zeitungen, in denen vor allem über den Roten Baron, Deutschlands berühmtes Fliegerass, der endlich abgeschossen worden war, berichtet wurde. Vielleicht hielt es die Presse für wichtig, die öffentliche Moral mit Jubelmeldungen zu stärken, da die Bevölkerung inzwischen erschöpft und verzweifelt war.
Die Regierung ließ Plakate mit Durchhalteparolen wie »Zähne zusammenbeißen und durch!« aufhängen, und etwas anderes blieb einem auch kaum übrig. Die Menschen hatten Angst vor Zeppelinen und Jagdbombern und mussten dazu noch mit ständig steigenden Preisen, Lebensmittelknappheit, Rationierungen und langen Warteschlangen fertigwerden, um gerade mal einen Laib Brot oder ein halbes Pfund Zucker zu bekommen. In jeder Stadt sah man auf den Straßen Männer mit fehlenden Gliedmaßen, Blinde und Schwerverletzte. Krankenhäuser, Genesungsheime und Sanatorien waren zum Bersten gefüllt, und immer noch wurden jeden Tag neue Verwundete heimgebracht, und der Blutzoll stieg gnadenlos.
»Granatenschock« oder »Schützengrabenschock« waren Begriffe, die man bis zur Schlacht an der Somme nie gehört hatte. Damals galt so etwas noch als eine Ausrede für Feigheit, weil sich dank der Glorifizierung des Krieges durch die Presse kaum jemand eine Vorstellung von den Gräueln an der Front machen konnte. Aber diese Einstellung änderte sich, als die Verwundeten anfingen, über das wahre Gesicht des Krieges zu sprechen. Viele Frauen erlebten, wie ein Ehemann, Bruder oder Sohn, der auf Heimaturlaub war, bei plötzlichen lauten Geräuschen erschrak, von Albträumen gequält wurde oder still und in sich gekehrt war, und allmählich wuchsen Verständnis und Mitgefühl in der Öffentlichkeit.
Doch Mitgefühl allein half
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