Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
blinzelte er dem Ziegenbock zu (und bekam ein raues Schnaubenzur Antwort). Dann ging er hinüber zu dem Haufen, der einladend dampfte.
Tamwyn kroch hinein, seine Beine sanken in den warmen Dreck. Eine Welle grässlicher fauliger Gerüche überspülte ihn und einen Moment lang wurde ihm übel. Fast wäre er wieder hinausgeklettert in die kalte Nachtluft.
Die Übelkeit ging jedoch rasch vorbei. Und die Wärme an seinen nackten Füßen ließ die Zehen prickeln. Er gab sich einen Ruck und kroch tiefer. Und . . . im gleichen Augenblick, in dem die Priesterin Llynia in einem anderen Teil von Steinwurzel in ihr Kräuterbad tauchte, sank Tamwyn in etwas ganz anderes.
Er schob ein paar verfaulte Maiskolben zur Seite und rutschte hinunter in den Dreck, bis die ganze Brust bis zu den Achselhöhlen vergraben war. Als er die Arme aus dem Dung streckte, streiften seine langen Haare über den Haufen. Mit dem Rücken konnte er sich endlich bequem anlehnen; die Nase gewöhnte sich an den Gestank. Er seufzte und stellte sich vor, er läge in diesen knietiefen Fuchsschwanzfarnen bei den heißen Quellen von Angenou, einem seiner liebsten Lagerplätze.
Plötzlich nieste er. Ein paar Läuse waren ihm in die Nasenlöcher gekrabbelt! Tamwyn rieb sich kräftig die Nase. Und gab sich größte Mühe, den Ziegenbock zu übersehen, der ihn mit lachenden Augen beobachtete.
Tamwyn schnitte eine Grimasse. Es gab keinen Zweifel darüber, wo er wirklich übernachtete.
In einem Misthaufen. Einem Haufen verfaulten Gemüses und Ziegenexkrementen.
Und Läusen.
Vielleicht hatte dieser alte Hoolah, der nichtsnutzige Lump, in einem doch Recht gehabt.
Dunkler als eine erloschene Fackel in einer mondlosen Nacht.
Das waren die Worte, die er gebraucht hatte. Aber der Hoolah verstand nichts von Tamwyns eigentlicher Dunkelheit, überhaupt nichts. Denn sie hatte nichts zu tun mit dem Ruß auf seinem Gesicht, an den Füßen und überall dazwischen. Auch nichts mit seinen pechschwarzen Haaren und Augen.
Nein, Tamwyns eigentliche Dunkelheit war nicht zu sehen. Nur zu empfinden. Sie kam von der Mutter, an die er sich kaum erinnerte, dem Bruder, der ihm schmerzlich fehlte, und der Zukunft, die er sich nicht vorstellen konnte. Und manchmal empfand er sie wirklich als finster. So finster wie eine erloschene Fackel.
Tamwyn schauderte trotz all dem warmen Schmutz, der ihn umgab. Sein Name bedeutete schließlich dunkle Flamme in der Sprache des Volks seiner Mutter, den Flamelons. Er behielt diesen Namen, weil er das Einzige war, das sie ihm gegeben hatte und das er immer noch besaß. Doch manchmal wünschte er, sie hätte ihm einen anderen Namen gegeben. Einen helleren – einen, der besser zu einem Sternforscher passte als zu einem heimatlosen Wanderer.
Er schloss die Augen und sah in seiner Erinnerung die hellen Feuer des fernen Landes, in dem er geboren worden war. Feuerwurzel – das Land, das seine Mutter Rahnawyn nannte – schien ihm jetzt so fern zu sein, dass es fast erfunden wirkte wie sein verwirrender Traum von dieser Nacht auf dem brennenden Berg. Und doch sagte ihm sein Herz,dass Feuerwurzel wirklich war – so wirklich wie der Bruder, den er zu finden hoffte.
Selbst jetzt sah er in der Erinnerung die Feuer vor sich, die überall loderten am Rand jenes Kraters mit den Spitzen wie krumme Zähne, wo er und Scree so oft gespielt hatten. Oder genauso oft gekämpft. Er zuckte zusammen, als er sich an den großen Streit erinnerte, den sie an ihrem letzten Tag gehabt hatten, vor sieben Jahren, direkt vor dem Angriff – und direkt bevor Scree seine plötzliche kühne Wahl getroffen hatte. Die Wahl, die Tamwyn das Leben gerettet und ihn in ein neues Reich geschleudert hatte.
Jener Tag und jene Wahl hatten alles verändert. Absolut alles. Und Tamwyn im Kampf mit einer Fülle unbeantworteter Fragen zurückgelassen.
War Scree noch am Leben? Und wenn ja, wo? Irgendwo hier in Steinwurzel oder in einem anderen Land? War er noch der kräftige junge Mann, den Tamwyn vor sieben Jahren gekannt hatte – der so alt wie Tamwyn war, aber größer und muskulöser, wie es seiner Abstammung von den Adlermenschen entsprach?
Und was war aus seinem Wanderstab geworden? Scree hatte ihn überallhin mitgenommen, selbst wenn er als Adlermann flog, und hatte keinem anderen erlaubt den Stab auch nur zu berühren. Es war etwas Merkwürdiges an diesem knorrigen Stück Holz . . . etwas, das Tamwyn nie richtig in Worte fassen konnte. Es hatte ihn immer fasziniert.
Er öffnete die
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