Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
Achseln. Aus seiner Sicht hätte sie ihn geradeso gut fragen können, wie er atmete. »Ich weiß es nicht. Es ist einfach wieder ein Trick, nehme ich an. Etwas, das ich gelernt habe . . .«
»Als du nichts Besseres zu tun hattest«, ergänzte Nuic. Obwohl das wieder mürrisch klang, lag ein seltsamer, unsicherer Ausdruck auf seinem Gesicht.
Tamwyns Blick wanderte zu dem leeren Topf auf dem Hügel. »Ich glaube, ich sollte etwas anderes zum Abendessen machen, sonst bekommen wir nichts vor Mitternacht.«
»Essen?«
Alle sahen den Hoolah an, der in der Buche saß. Henni nickte heftig. »Also
das
ist eine Sprache, die ich verstehe. Huhuuu, hihi, huuhuu.«
Tamwyn schüttelte nur den Kopf. Er ging zu den Lebensmittelvorräten, von denen der hungrige junge Drache die Hälfte hinuntergeschlungen hatte. Dann schaute er, nur um sicher zu sein, über die Schulter hinab ins Tal, wohin der Drache gelaufen war . . . und wo er selbst erst vor kurzem frei gerannt war.
Vom Drachen war nichts zu sehen. Es gab nur noch den Pfad mit platt getretener Erde und zermalmten Steinendort, wo er seinen riesigen Körper über den Boden geschleppt hatte. Nicht weit davon sah Tamwyn am lehmigen Ufer des kleinen Teichs seine eigenen Fußabdrücke vom Beginn seines Laufs durch das Tal.
Und dann sah er noch etwas. Sein Herzschlag setzte aus.
Dort im Lehm waren die Abdrücke seiner schnellen Rückkehr ins Lager. Oder das
sollten
sie wenigstens sein. Ungläubig starrte Tamwyn darauf. Denn diese Abdrücke waren anders. Wesentlich anders.
Es waren die Hufabdrücke eines Hirschs.
18
Absolut
E ndlich näherte sich Brionna dem Rand des Cañons. Obwohl ihre Beine von der Anstrengung des langen Aufstiegs zitterten, machte sie keine Pause, bevor sie auf die letzte Klippe aus rotem Fels kletterte. Sie stieg höher und höher, wie ein Eichhörnchen an einem Baumstamm. Gerade unterhalb des Gipfels umklammerte sie mit der Hand eine vorstehende Verdickung und stemmte sich hoch genug, um ein Bein hinaufzulegen. Mit einem letzten lauten Ächzen rollte sie schließlich über den Rand.
Da lag sie flach auf dem Rücken und rang nach Luft. Bei jedem Atemzug hoben sich rote Staubwolken von ihrem zerfetzten Gewand. Das war die erste Rast, die sie sich gönnte, seit sie vor mehreren Stunden den Hexer mit den bleichen Händen verlassen hatte.
Bevor sie sich aufsetzte, stellte sie sich ihr geliebtes Waldwurzel vor – das endlose Grün, das sie jetzt wiedersehen würde. Üppig und lebhaft war es, voll von grünen Gehöl zen , süß duftenden Früchten, ungezählten Geschöpfen und verlockenden Pfaden. Nach diesen drei quälenden Tagen auf dem Damm des Hexenmeisters würde der Anblick des Landes bestimmt die Verletzungen ihrer Seele heilen. Dennauch wenn sie und ihr Großvater gefesselt und mit verbundenen Augen von Waldwurzel entführt worden waren, würde ein Teil von ihnen nie diese duftenden Waldwege verlassen können.
Obwohl sie immer noch keuchte und ihre Glieder sich so schwer anfühlten wie Blöcke aus den Steinbrüchen, zwang sie ihre Gedanken zurück zur Gegenwart. Sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen – und ein Leben zu retten. Großvaters Leben!
Sie setzte sich auf. Doch angesichts dessen, was sich ihrem Blick bot, wäre sie fast auf dem Fels zusammengebrochen. Der stattliche Grenzwald, der sich bis zum Cañonrand erstreckte und die Trennlinie zwischen Waldwurzel und Wasserwurzel kennzeichnete – El Urien und Brynchilla, wie Großvater sagen würde –, war verschwunden.
Verschwunden!
Denn anderthalb Meilen an der Cañonwand entlang war der Grenzwald zerstört worden. Mit den Wurzeln ausgerissen. Durch einen gewaltigen Kahlschlag vernichtet.
Von diesen üppigen Gehölzen beim Cañon, in denen Geschöpfe immer frei umherliefen, an Ranken schaukelten und von Ästen sprangen, war nichts geblieben als ein Ödland des Todes. Überall lagen abgehauene Stämme, zerbrochene Zweige, zersplitterte Äste und zerrissene Rindenstücke. Das Herz dieses Waldes war brutal zerfetzt und weggeworfen worden, damit es faulte. Und wo waren die Geschöpfe – die Füchse, Stachelschweine, Spechte und Rehe?
Ein Wind blies durch den Cañon, er peitschte die Oberflächedes weißen Sees hinter dem Damm und heulte über die Klippen aus rotem Fels. Doch als der Wind den ermordeten Waldstreifen erreichte, gab er ein tieferes, herzzerreißendes Stöhnen von sich. Brionna war überzeugt, dass es ein Schmerzensschrei war, ein qualvolles Geheul aller Bäume und Geschöpfe,
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