Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
Augen auf sie richtete.
Bis in Herz und Hirn erstarrt saß sie da, als sich das kolossale Maul öffnete.
13
Schluss mit allen Geheimnissen
D er Drache beugte den ungeheuren Kopf zu der Grube, die lange schwarze Zunge zuckte hungrig. Zahnreihen, mit getrocknetem Blut und faulendem Fleisch verschmiert, glänzten direkt über den gefangenen Gefährten.
Dann quoll aus dem Drachenmaul eine dicke Rauchwolke. Wie Lava aus Luft strömte sie hinunter in die Grube, bedeckte langsam die Gruppe und erstickte sie in scheußlichen, schwefligen Dämpfen. Elli hustete und würgte wie die anderen. Sie legte die Hand auf den Mund und schwenkte die Arme, um die Luft zu klären.
Aber das half nichts. Dunkler Rauch brannte ihr in der Nase, der Kehle, den tränenden Augen. Ohne Hustenkrämpfe konnte sie gar nicht atmen. Der giftige Rauch war überall.
Und dann war er plötzlich weg.
Es dauerte keinen Herzschlag, da wurde die dunkle Wolke heller. Als würde sie plötzlich mit Licht durchschossen, verwandelte sie sich in schimmerndes Silber. Die schädlichen Dämpfe verschwanden, sie machten einer Feuchtigkeit Platz, die so weich wie eine Wolke und so frisch wie ein Waldbach schien.
Nebel
, erkannte Elli.
Der Rauch hat sich in Nebel verwandelt.
Die Dämpfe wirbelten funkelnd um sie herum, dann zogen sie sich langsam auseinander. Leuchtende Fetzen stiegen auf, kreisten und drehten sich, warfen spiralige Regenbogen in die Luft. Schließlich war der strahlende Nebel so dünn geworden, dass er mehr aus Licht als aus Wasser zu bestehen schien. Elli und die anderen in der Grube konnten in dem Lichtbad nur blinzeln.
Dann merkte Elli, dass auch die Grube weg war. Die steilen Seitenwände waren verschwunden und hatten sie und ihre Freunde mitten auf einer nebligen Ebene zurückgelassen, die sich in jede Richtung weiter dehnte, als sie sehen konnte. Elli drehte sich um und betrachtete diese große Wiese aus Nebel, die endlos wogte. Nichts als krause weiße Wellen stiegen über den Horizont.
Mit einer Ausnahme.
Aus den fernsten Nebelweiten näherte sich eine dunkle Gestalt. Elli verkrampfte sich, immer noch hatte sie Angst vor dem Drachen. Aber das war kein Drache.
Die Herrin! Sie kommt zu uns.
Ja,
antwortete die hauchende Stimme der Frau, die in Ellis Gedanken sprach.
Aber auf dich bin ich so wütend wie ein Drache.
Elli zuckte zusammen, als die Gestalt durch den Dunst näher kam. Doch sie bewunderte, wie schön die Herrin aussah – genauso schön wie in ihrer Erinnerung trotz des grimmigen Ausdrucks. Ihre lebendigen graublauen Augen und das silbrige Haar, das in so üppigen Locken wie bei Elliherabfiel, glänzten von der Magie der Zauberin. Ihr gemustertes grünes Gewand, so leicht wie der Nebel selbst, glitzerte, wenn sie sich bewegte, ebenso wie der Schal, der wie eine Wolke auf ihren Schultern lag.
Und Elli wusste, was sich unter dem Schal befand. Flügel! Leuchtende Flügel, die glänzten wie gefiedertes Sternenlicht. Denn die Herrin war mit der legendären Rhiannon identisch – der großen Anführerin der frühen Drumaner, Tochter von Elen der Gründerin und Schwester von Merlin. Dieses Geheimnis hatte die Herrin bereitwillig Elli, Nuic und Tamwyn anvertraut. Sonst niemandem. Und wie hatte Elli dieses Vertrauen vergolten?
»Verzeih mir«, flüsterte sie heiser. »Ich wollte nicht
. . .
«
Oh, aber du hast es getan
, sagte die strenge Stimme in ihren Gedanken.
Du hast von dem mutigen saphirblauen Einhorn meine Bitte gehört. Dann hast du beschlossen, dich nicht darum zu kümmern. Elliryanna Lailoken, du hast Coerria genau wie uns andere in Gefahr gebracht. In große Gefahr.
Elli senkte den Kopf. »Es tut mir Leid, Rh – äh, ich meine, Herrin. Sehr Leid.«
Die Herrin kam näher, während Nebelzungen am Saum ihres grünen Gewands leckten, bis sie schließlich vor den Gefährten stand. Elli verbeugte sich steifer als Brionna, deren honigfarbener Zopf durch die Wolke zu ihren Füßen fegte. Lleu verbeugte sich ebenfalls sehr tief, und als er sich aufrichtete, flog der Falke Catha herab und landete auf seiner Schulter. Selbst Shim bemühte sich, höflich zu sein, auch wenn seine Verbeugung mehr einem unbeholfenen Knicks glich.
Dann beugte sich zur Überraschung aller auch die Herrin sehr tief herab. Doch nicht zur Begrüßung, sie wollte vielmehr Shim in die Augen schauen. »Mein alter Freund«, sagte sie wehmütig. »Du bist genauso klein wie damals, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Und, nehme ich an, genauso groß
Weitere Kostenlose Bücher