Der Zauber von Savannah Winds
trat vom Badezimmerspiegel zurück, um die Wirkung in Augenschein zu nehmen. Die Frau, die ihr mit prüfendem Blick entgegenschaute, war wie üblich schick herausgeputzt; ihre schlanke – manche mochten sagen, zu schlanke – Figur kam in dem gut geschnittenen cremefarbenen Leinenkleid vorteilhaft zur Geltung. Margot trug eine schmale Armbanduhr, goldene Armbänder und Ohrstecker, und an ihrem Hals schimmerte eine Kette aus dicken Broome-Perlen. Den Ehering hatte sie vor vielen Jahren abgelegt mit dem Vorsatz, niemals wieder einen zu tragen.
Margot strich sich zufrieden über das Haar. Monsieur Paul hatte den kinnlangen Locken mit einer Mischung aus Honigblond, Dunkel- und Hellbraun großen Chic verliehen. Grau machte zu alt, und mit einundsechzig wollte Margot auf keinen Fall so matronenhaft wirken wie ihre Schwester Bethany.
Sie ging ins Schlafzimmer, um ihre Handtasche zu holen. Sie prüfte, ob sie alles hatte, hielt einen Moment inne, bis ihr Pulsschlag sich wieder normalisiert hatte, und konzentrierte sich auf das, was vor ihr lag. Ihre Schultern schmerzten vor Anspannung, und je näher der Zeitpunkt des Aufbruchs rückte, desto schlimmer wurde es. Margot ging hinüber ans Fenster und betrachtete die Aussicht, die sie stets besänftigte.
Ihr Apartment befand sich in den Southbank Parklands und bot einen Blick auf die Stadt jenseits des Flusses und den Park unter ihr. Segelboote kreuzten, um den Jet- und Speedbooten auszuweichen. Die bunten Beete der Grünanlagen und die farbigen Markisen der Stände auf dem Sonntagsmarkt belebten das Südufer, wo bereits die übliche Geschäftigkeit herrschte.
Brisbane war ein kleiner Ort, besaß jedoch eine einladende, entspannte Atmosphäre, die Margot sonst nirgendwo gefunden hatte. Die Stadt glitzerte und schimmerte in der Sonne, und das Grün der Tropenbäume in den Parkanlagen bildete einen wunderschönen Kontrast zum türkisfarbenen Wasser des breiten Flusses.
Da Brisbane am südlichen Ende der Sunshine Coast von Queensland lag, war das Klima gemäßigt und ließ die feuchten Tropengebiete im Norden und die große Wüste im Westen nur erahnen.
Margots Unruhe wich einer kühlen Entschlossenheit, die ihr wesentlich vertrauter war. Sie wandte sich von der Aussicht ab und verließ das Apartment. Kurz darauf saß sie in ihrem Mercedes und fuhr über den Kingsford Smith Drive, vorbei an dem reich verzierten Breakfast Creek Hotel – in dessen berühmtem Biergarten bereits lärmender Betrieb herrschte – , und weiter zum Bruce Highway, wo der Verkehr nicht so dicht war.
Caloundra lag nur sechsundneunzig Kilometer nördlich, und Margot blieb jede Menge Zeit, um dort hinzugelangen. Während die Reifen über den Highway schnurrten, sank ihre Entschlossenheit wieder. Sie verabscheute Auseinandersetzungen, doch offenbar würde sie nicht darum herumkommen – und zum ersten Mal in ihrem Leben brauchte Margot die Hilfe ihrer Schwestern, um ihren Vater von weiteren Torheiten abzuhalten. Es war ihr schwergefallen, die Schwestern um Unterstützung zu bitten – Margot hatte lange darüber nachgedacht, bevor sie zum Hörer gegriffen hatte – , aber hier ging es auch um deren Zukunft, und es war höchste Zeit, dass die Schwestern die Verantwortung teilten. Ihr Vater hatte immer getan, was er wollte; er hatte sich rücksichtslos über alle hinweggesetzt – aber nun musste er zu der Einsicht gebracht werden, dass er zu weit gegangen war und das aufhören musste.
Bethany zog die Gummihandschuhe aus, legte sie fein säuberlich über den blanken Wasserhahn und hängte die Schürze ans Handtuchreck. Sie war seit dem Morgengrauen auf den Beinen, und obwohl sie sich die Zeit genommen hatte, den Frühgottesdienst zu besuchen, war der geschrubbte Küchentisch überladen mit Pasteten, Kuchen und Torten, die sie für die kirchliche Benefizveranstaltung am nächsten Tag zubereitet hatte. Da Bethany die Vorsitzende des Bibelkreises und ein treues Mitglied des Ältestenrats war, wurde dieser Beitrag von ihr erwartet, und sie war stolz darauf, dass ihre Backwaren stets reißenden Absatz fanden.
Sie betrachtete die makellose Küche und seufzte – jedoch nicht vor Zufriedenheit angesichts der guten Arbeit, die sie geleistet hatte, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass der Raum zu sauber war und zu still.
»Das war ja ein tiefer Seufzer.« Clive schlenderte herein, gekleidet für seine sonntägliche Golfrunde. Er legte Bethany einen Arm um die drallen Schultern und gab ihr einen Kuss auf die
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