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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Sphinxzigaretten geschenkt hatte, eine sensationelle Person mit nikotingelben beringten Fingern und kurzgeschnittenem Haar, die, von den Hauptmahlzeiten abgesehen, bei denen sie Pariser Toiletten trug, in Herrensakko und gebügelten Hosen umherging, übrigens von der Männerwelt nichts wissen wollte, sondern ihre zugleich träge und heftige Huld ausschließlich einer rumänischen Jüdin zuwandte, die schlecht und recht Frau Landauer hieß, während doch Staatsanwalt Paravant um Ihrer Hoheit willen die Mathematik vernachlässigte und vor Verliebtheit geradezu den Narren spielte: nicht genug also mit ihr persönlich, so befand sich unter ihrem kleinen Gefolge auch noch ein verschnittener Mohr, ein kranker, schwacher Mensch, der aber trotz seiner von Karoline Stöhr gern gehechelten Grundverfassung am Leben mehr zu hängen schien als irgend jemand, und sich untröstlich zeigte über das Bild, das die Platte von seinem Inneren aufwies, nachdem man seine Schwärze durchleuchtet hatte …
    Verglichen mit solchen Erscheinungen also konnte Mynheer Peeperkorn fast farblos wirken. Und wenn dieser Abschnitt unserer Erzählung, wie ein früherer, die Überschrift »Noch {828} jemand« tragen könnte, so braucht deshalb niemand zu besorgen, daß hier abermals ein Veranstalter geistiger und pädagogischer Konfusion auf den Plan tritt. Nein, Mynheer Peeperkorn war keineswegs der Mann, logische Verwirrung in die Welt zu tragen. Er war ein völlig anderer Mann, wie wir sehen werden. Daß gleichwohl schwere Verwirrung von seiner Person auf unseren Helden ausging, begreift sich aus folgendem.
    Mynheer Peeperkorn traf mit demselben Abendzuge in Station »Dorf« ein, wie Madame Chauchat, und fuhr mit ihr in demselben Schlitten nach Haus Berghof, woselbst er mit ihr zusammen im Restaurant das Abendessen einnahm. Es war eine mehr als gleichzeitige, es war eine
gemeinsame
Ankunft, und diese Gemeinsamkeit, die ihre Fortsetzung zum Beispiel in der Anordnung fand, daß Mynheer seinen Tischplatz neben der Wiedergekehrten, am Guten Russentisch angewiesen erhielt, gegenüber dem Doktorplatz, dort, wo ehemals der Lehrer Popów seine wilden und zweideutigen Aufführungen veranstaltet hatte, – diese Zusammengehörigkeit war es, die den guten Hans Castorp verstörte, da dergleichen seiner Voraussicht entgangen war. Der Hofrat hatte ihm Tag und Stunde von Clawdias Rückkehr auf seine Art angezeigt. »Na, Castorp, alter Junge,« hatte er gesagt, »treues Ausharren wird belohnt. Übermorgen abend schleicht das Kätzchen sich wieder herein, ich hab’s telegraphisch.« Aber davon, daß Frau Chauchat nicht allein komme, hatte er nichts verlauten lassen, vielleicht weil auch er nichts davon gewußt hatte, daß sie und Peeperkorn zusammen kämen und zusammengehörten, – wenigstens gab er Überraschung vor, als Hans Castorp ihn am Tage nach der gemeinsamen Ankunft gewissermaßen zur Rede stellte.
    »Kann ich Ihnen auch nicht sagen, wo sie den aufgegabelt hat«, erklärte er. »Eine Reisebekanntschaft offenbar, von den Pyrenäen her, nehme ich an. Tja, den müssen Sie nun erst mal in Kauf nehmen, Sie enttäuschter Seladon, hilft Ihnen alles {829} nichts. Dicke Freundschaft, verstehen Sie. Wie es scheint, haben sie sogar gemeinsame Reisekasse. Der Mann ist schwer reich, nach allem, was ich höre. Kaffeekönig in Ruhestand, müssen Sie wissen, malaiischer Kammerdiener, opulente Umstände. Übrigens kommt er bestimmt nicht zum Spaß, denn außer einer gehörigen alkoholischen Verschleimung scheint malignes Tropenfieber vorzuliegen, Wechselfieber, verstehen Sie, verschleppt, hartnäckig. Sie werden Geduld mit ihm haben müssen.«
    »Bitte sehr, bitte sehr«, sagte Hans Castorp von oben herab. »Und du?« dachte er. »Wie ist dir zumute? Ganz unbeteiligt bist du doch auch nicht, von früher her, wenn mich nicht dieses und jenes täuscht, blaubackiger Witwer mit deiner anschaulichen Ölmalerei. Legst allerlei Schadenfreude in deine Worte, wie mir scheint, und dabei sind wir doch Leidensgenossen, gewissermaßen in Hinsicht auf Peeperkorn.« – »Kurioser Mann, entschieden originelle Erscheinung«, sagte er mit entwerfender Gebärde. »Robust und spärlich, das ist der Eindruck, den man von ihm gewinnt, den ich wenigstens heute beim Frühstück von ihm gewonnen habe. Robust und auch wieder spärlich, mit diesen Eigenschaftswörtern muß man ihn meiner Meinung nach kennzeichnen, obgleich sie gewöhnlich nicht für vereinbar gelten. Er ist wohl groß und breit

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