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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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denn nicht vielleicht etwas dichten wolle! Er sei ja ein Dichter gewesen, als er noch nicht in eilender Weile gewebt und geschwebt habe. Ach, wie sie alle nach etwas Gedichtetem verlangten! Sie würden es so herzlich genießen.
    Und siehe, das gute Glas schlug Ja. Wirklich lag etwas Gutmütig-Versöhnliches darin, wie es dies tat. Und dann begann spirit Holger zu dichten und dichtete umständlich, ausführlich und ohne Besinnen, wer weiß wie lange, – es schien, als werde er überhaupt nicht wieder zum Schweigen zu bringen sein! Es war ein durch und durch überraschendes Gedicht, das er bauchrednerisch vorbrachte, während die Umsitzenden es bewundernd mit sprachen, eine magische Dingheit, uferlos, wie das Meer, von dem es vornehmlich handelte, – Seemist in langen Haufen entlang des schmalen Strandes der weit geschwungenen Bucht des Insellandes mit steiler Dünenküste. O seht, wie sterbend grün die ungeheure Weite ins Ewige verschwebt, wo unter breiten Nebelschleierstreifen in trübem Karmesin und milchig-weichem Scheinen die Sommersonne den Untergang verzögert! Kein Mund vermöchte zu sagen, {1006} wann und wie des Wassers silbrig regsamer Widerglanz in lauter Perlmutterschimmer sich wandelte, in ein unnennbar Farbenspiel blaß-bunt-opalenen Mondsteinglanzes, das alles überzieht … Ach, heimlich, wie er entstanden, erstarb der stille Zauber. Das Meer entschlief. Jedoch die sanften Spuren des Sonnenabschieds bleiben dort drüben und draußen. Es wird nicht dunkel bis in die tiefe Nacht. Ein halbes Geisterlicht waltet im Kiefernwalde der Dünenhöhe und läßt den bleichen Sand des Grundes wie Schnee erscheinen. Täuschender Winterwald im Schweigen, knackend durchstreift von einer Eule schwerem Flug! Sei unser Aufenthalt zu dieser Stunde! So weich der Tritt, so hoch und mild die Nacht! Und langsam atmet dort unten tief das Meer und flüstert gedehnt im Traum. Verlangt dich’s, es wiederzusehen? So tritt hervor zum fahlen Gletschergehänge der Düne und steige vollends im Weichen empor, das kühl in deine Schuhe rinnt. Hart buschig fällt das Land und steil zum steinigen Strande ab, und immer geistern noch am Rande der vergehenden Weite die Reste des Tages … Laß dich hier oben im Sande nieder! Wie ist er todeskühl, wie mehlig-seidenweich! Er fließt dir aus der geschlossenen Hand in farblos-dünnem Strahl und bildet ein zartes Hügelchen bei sich im Grunde. Erkennst du dies feine Rinnen? Es ist das lautlos schmale Strömen durch die Enge des Stundenglases, des ernsten, gebrechlichen Geräts, das das Gehäuse des Klausners schmückt. Ein aufgeschlagen Buch, ein Totenschädel und im Gestell, im leicht gefügten Rahmen das dünne Doppelhohlgebläse, darin ein wenig Sand, dem Ewigen entnommen, als Zeit sein heimlich und heilig beängstend Wesen treibt …
    So war spirit Holger bei seiner »lirischen« Improvisation in sonderbarer Gedankenflucht vom heimatlichen Meere auf einen Klausner und das Werkzeug seiner Beschaulichkeit gekommen, und er kam noch auf manches, auf Menschliches und Göttliches in träumerisch gewagten Worten, über die das {1007} Kränzchen sich grenzenlos verwunderte, indes es sie buchstabierte, und kaum fand man Zeit, seinen entzückten Beifall einzuschalten, so rasch ging es im Zickzack vom Hundertsten ins Tausendste weiter und wollte gar nicht aufhören, – nach einer Stunde noch war dieses Dichtens kein Ende im entferntesten abzusehen, das von Mutternot und dem ersten Kusse der Liebenden und von der Krone des Leides und Gottes ernster Vatergüte ganz unerschöpflich handelte, sich in das Weben der Kreatur vertiefte, in Zeiten und Ländern und im Sternenraum sich verlor, einmal sogar der Chaldäer und des Tierkreises erwähnte und bestimmt die ganze Nacht hindurch gewährt hätte, wenn nicht die Beschwörer endlich doch ihre Finger vom Glase genommen und unter besten Danksagungen an Holger erklärt hätten, nun müsse es für diesmal genug sein, es sei von ungeahnter Herrlichkeit gewesen und ewig schade, daß niemand mitgeschrieben habe, so daß nun das Gedichtete unfehlbar in Vergessenheit geraten werde, ja, leider allergrößtenteils schon in Vergessenheit geraten sei, vermöge einer gewissen Unhaltbarkeit, wie sie Träumen eigne. Das nächste Mal wollte man rechtzeitig einen Schriftwart bestellen und zusehen, wie es sich schwarz auf weiß bewahrt und im Zusammenhang vorgetragen, wohl ausnehmen werde; für den Augenblick aber, und ehe Holger in die Gelassenheit seiner eilenden

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