Der Zauberer von Stonehenge
Pete soeben hören konnte. Er schaute auch Phil Grover an, nickte - und trat zurück.
»Ja, schon gut. Es war nur ein Scherz.«
»Ich wußte es.«
Das begriffen die herumstehenden Männer nicht. Jetzt machten sie Pete an, daß er so etwas überhaupt zulassen konnte. Er hätte seine Drohung in die Tat umsetzen und keinen Rückzieher machen müssen. Das alles kümmerte Phil Grover herzlich wenig. Er war bereits in den breiten Eingangsflur eingetaucht, in dem es immer düster war, auch wenn das Licht brannte.
Es lag möglicherweise an den grau gestrichenen Wänden oder auch am Schwarzen Brett, das rechts neben dem Eingang hing. Einige Zettel klebten daran, auch Nachrichten der Behörden. Eng beschriebene Bögen, die kaum jemand las.
Die Aufenthaltsräume lagen im Kellergeschoß des Hauses. Zwei große Schlafsäle, ein Waschraum und einer, in dem man sich duschen konnte. In den oberen Etagen befanden sich mehrere Lager. Was dort lagerte, wußte Phil nicht. Hin und wieder fuhren Lastwagen an der Rampe im Hof vor, dann wurden die Lager geräumt.
Im Erdgeschoß waren die Verwaltungsbüros untergebracht, auch die Küche und der Speisesaal mit den Holzbänken. Davor führte die Tür zu Mr. Gallicos Büro, dem Leiferdes Heims. Eigentlich hätte Phil Grover dort hingehen und die Scherbe abliefern müssen, das tat er jedoch nicht. Er passierte die Tür, bedachte sie dabei mit scheuen Blicken und nahm die Treppe nach unten.
Im Schlafsaal roch es schlimm. Die Lüftung funktionierte nie richtig. In einfachen Betten lagen hier und da noch einige Schläfer. Ihr Schnarchen durchwehte den großen Raum.
Das Bett des Phil Grover befand sich ziemlich weit in der Ecke. Es stand dicht an der Wand. Über ihm schlief auch jemand.
Auf der Bettkante hockte sich Phil Grover nieder. In seiner Nähe befand sich kein Schläfer, auch niemand, der wach auf seinem Bett lag. Phil konnte sich voll und ganz seinen Gedanken hingeben, die nicht gerade positiv waren.
Er dachte darüber nach, was hinter ihm lag. Hatte er einen Mord begangen? Wieder entstand das Bild des Rockers vor seinem geistigen Auge. Er sah sich selbst vor ihm stehen, die Bewegung der Hand, das Auftreffen der Scherbe, das Hineingleiten in den Körper, dann den Fall des Rockers und dessen Verglasung.
Ein zerstörter Kopf. Ein Schädel, der durch Druck zerkrümelt worden war und dessen Reste sich auf dem Boden verteilten. Wieso hatte es das geben können?
Phil dachte darüber nach. Es mußte mit der Scherbe zusammenhängen, die er gesucht und gefunden hatte.
Gesucht im Auftrag eines anderen Menschen. Mr. Gallico hatte ihm diesen Job anvertraut. Wußte er Bescheid? War er genau darüber informiert, welche Kraft in der Scherbe steckte? Daß sie einen Menschen führen und sogar beherrschen konnte?
Phil Grover starrte gegen die graue Decke des Schlafsaals. Es brannten nur zwei Lampen. Breite, helle Flecken über ihm. Der größte Teil des fensterlosen Raumes lag im Dunkel.
Die Scherbe abliefern, dafür ein dankbares Lächeln empfangen, ansonsten alles wie bisher.
Sollte es das gewesen sein?
Nein, auf keinen Fall. Phil Grover wollte nicht mehr. Eine innere Stimme sagte ihm, daß er dumm wäre, würde er den Plänen Folge leisten, die Gallico mit ihm hatte.
Er schob die Hand in die rechte Manteltasche und fühlte nach. Ja, die Scherbe war noch da. Wie ein kostbares Gut umklammerte er sie und strich auch mit den Fingerspitzen darüber hinweg. Wie herrlich glatt sich dieses Material anfühlte, wunderbar warm und wie Samt. Ja, das war etwas für ihn. Das war ein Fundstück, das ihn zu einem anderen Menschen machte.
Gallico würde sich wundern. Eigentlich sollten sich alle wundern. Was ging ihn, Phil Grover, das hier überhaupt an. Dieses verdammte Heim, der Schlafsaal, seine Penner-Kollegen. Es war Unsinn. Er wollte nicht mehr hier leben, hausen und von dem existieren, was man ihm gnädig anbot. Das mußte ein Ende haben.
Dieses Leben war vorbei. Die Scherbe würde ihm Kraft für eine Wende geben. Außerdem brauchte er nicht in der Gosse zu schlafen. Sobald es dunkel war, würde er bei Zerbinetta schellen und ihr Angebot annehmen. Sie wollte ihn aufnehmen. Okay, das sollte sie. Vielleicht klappte es mit ihnen beiden sogar.
Vom Eingang her schlurfte jemand vorbei. Eine untersetzte Gestalt mit strähnigen, grauen Haaren, einer von Grovers Kollegen, mit denen er hin und wieder sich unterhalten hatte. Der Mann war schon alt und besaß eine gewisse Lebensweisheit, die er den
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