Der Zauberhut
ist er?«
Er musterte die am Boden liegenden Magier und hob drohend die Socke.
Ovin Schmollwinkel riskierte einen Blick nach oben, hob mehrmals die Brauen und zwinkerte verzweifelt. Leider traf kein Inspirationspartikel ein, das Rincewind in die Lage versetzte, nichtverbale Kommunikation zu verstehen.
»Mit einer Socke?« entgegnete Münze. »Was erhoffst du dir davon?« Die rechte Hand hob den Zauberstab, und der Knabe starrte ihn verwirrt an.
»Nein, warte«, sagte er. »Ich möchte mit diesem Mann sprechen.« Er sah Rincewind an, der hin und her schwankte und offenbar Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Er litt an Schlafmangel, Entsetzen und einer Überdosis Adrenalin.
»Ist es eine magische Socke?« fragte der Junge neugierig. »Die Socke eines Erzkanzlers? Eine Socke der Macht?«
Rincewind betrachtete sie.
»Ich glaube nicht«, antwortete er. »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich sie in einem Laden gekauft. Äh. Zusammen mit einer anderen.«
»Aber sie enthält einen schweren Gegenstand?«
»Äh, ja«, bestätigte Rincewind und fügte hinzu: »Einen halben Ziegelstein.«
»Der große Macht verkörpert?«
»Äh, er dient als Baumaterial«, sagte Rincewind langsam. »Meistens. Äh. Manchmal auch nicht. Wenn man noch eine zweite Hälfte hinzufügt, ergibt sich ein ganzer Ziegelstein.« Er nahm die Einzelheiten der Situation durch eine ganz spezielle Art von Osmose in sich auf und beobachtete, wie sich der schwarze Stab in der Hand des Jungen drehte.
»Aha. Es handelt sich also um einen gewöhnlichen Stein. Zusammen mit der Socke wird er zur Waffe.«
»Äh, ja.«
»Wie funktioniert sie?«
»Äh, man holt damit aus, und dann. Trifft man etwas. Gelegentlich sich selbst, wenn. Man nicht aufpaßt.«
»Und anschließend zerstört sie eine ganze Stadt?«
Rincewind starrte in die goldenen Augen des Knaben, sah dann auf die Socke hinab. Jahrelang hatte er sie mehrmals im Jahr an- und ausgezogen. Er kannte die vielen geflickten Stellen und liebte… Nun, er kannte sie. Einige konnten voller Stolz auf umfangreichen Nachwuchs hinweisen. Es gab viele Beschreibungen, die auf eine solche Socke zutrafen, aber ›Städtevernichter‹ stand nicht auf der Liste.
»Das bezweifle ich«, erwiderte Rincewind nach einer Weile. »Sie ist durchaus in der Lage, Menschen zu töten, aber sie läßt Gebäude, äh, stehen.«
Sein Verstand arbeitete mit der rasanten Geschwindigkeit einer Kontinentaldrift. Einige Teile des Bewußtseins wiesen ihn mehrmals darauf hin, daß er dem kreativen Magus gegenüberstand, doch andere innere Stimmen widersprachen energisch. Rincewind hatte viel von der Macht des Magus’ gehört, von seiner schlauen Hinterhältigkeit, der Heimtücke des Stabs und so weiter. Doch niemand hielt es für nötig, ihn auf das Alter seines Gegners hinzuweisen.
Er beäugte schwarzes Oktiron.
»Wozu ist das imstande?« fragte er.
Und der Stab sagte: Töte ihn.
Einige Zauberer hatten sich vorsichtig aufgerichtet. Jetzt warfen sie sich wieder zu Boden.
Die Stimme des Hutes war schlimm genug gewesen, doch in diesem Fall hörte Rincewind stählerne Schärfe. Sie klang nicht etwa so, als biete sie freundlichen Rat an. Nein, sie verkündete schlicht und einfach, wie die Zukunft gestaltet sein sollte. Und irgend etwas in ihr forderte bedingungslosen Gehorsam.
Münze hob den Arm und zögerte.
»Warum?« fragte er.
Du wirst dich an meine Anweisungen halten.
»Dazu bist du nicht verpflichtet«, warf Rincewind rasch ein. »Es ist nur ein Objekt.«
»Ich verstehe nicht, warum ich ihm irgend etwas antun sollte«, sagte Münze. »Er wirkt so harmlos wie ein zorniges Kaninchen.«
Er fordert uns heraus.
»Ich?« erwiderte Rincewind möglichst unschuldig, schüttelte heftig den Kopf, verbarg die Socke hinter seinem Rücken und versuchte, den Kaninchenvergleich zu ignorieren.
»Warum verlangst du immer Gehorsam von mir?« wandte sich Münze an den Stab. »Bisher habe ich alle deine Befehle ausgeführt, aber das hilft den Menschen nicht.«
Sie sollen dich fürchten. Hast du denn überhaupt nichts von mir gelernt? »Aber er sieht so komisch aus«, sagte der Knabe. »Er hat eine Socke.« Er schrie, und sein rechter Arm zuckte seltsam. Es lief Rincewind eiskalt über den Rücken.
Du wirst jetzt gehorchen.
»Nein!«
Du weißt doch, was mit ungezogenen Jungen passiert.
Irgend etwas knisterte, und es roch nach versengtem Fleisch. Münze sank auf die Knie.
»He, einen Augenblick… «, begann Rincewind.
Der Knabe schlug
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