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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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enthielt Nijel und Conina, die andere den Rest. Die Luft zwischen den beiden Segmenten knisterte. Im Abschnitt der beiden jungen Leute spielte vermutlich ein diskretes Orchester; dort zwitscherten Rotkehlchen und Drosseln, rosafarbene Wolken zogen über den Himmel, und es herrschte allgemeine Romantik, und… Nun, selbst in unmittelbarer Nähe einstürzende Paläste konnten Bewohner eines solchen Universums kaum beeindrucken.
    »Äh, hört mal, wenn ihr auf einer Vorstellung besteht…«, sagte Rincewind verzweifelt. »Ich schlage vor, wir beeilen uns damit. Nijel…«
    »… der Zerstörer…«, murmelte der junge Mann verträumt. Rincewind seufzte. »Na schön, Nijel der Zerstörer, Sohn des…«
    »Mächtigen Hasenfuß«, warf Nijel ein. Rincewind hob die Brauen und zuckte dann mit den Achseln.
    »Meinetwegen«, brummte er. »Nun, dies ist Conina. Ein höchst interessanter Zufall. Wahrscheinlich ahnst du nicht, daß ihr Vater mmpf.«
    Conina wandte den Blick nicht von Nijel ab, als sie eine Hand ausstreckte und sie um Rincewinds Gesicht schloß. Wenn ihre Finger ein wenig mehr Druck ausgeübt hätten, wäre der Kopf des Zauberers wahrscheinlich zu einer Bowlingkugel geworden.
    »Das heißt, wenn ich genauer darüber nachdenke, vielleicht irre ich mich«, fügte Rincewind hinzu, als sich Coninas Hand aus seiner Mimik löste. »Wen kümmert’s? Was spielt es für eine Rolle? Macht es irgendeinen Unterschied?«
    Hasenfuß’ Sohn und Cohens Tochter schenkten ihm keine Beachtung.
    »Ich breche jetzt auf und suche nach dem Hut, einverstanden?« fragte er.
»Gute Idee«, murmelte Conina.
    »Bestimmt bringt mich irgend jemand um, aber was soll’s«, fuhr Rincewind fort.
    »In Ordnung«, sagte Nijel.
»Ich schätze, niemand wird mich vermissen.«
    »Schon gut«, meinte Conina.
»Sicher hackt man mich in kleine Stücke«, sagte Rincewind und ging zur Tür. Er bewegte sich mit der enormen Geschwindigkeit einer sterbenden Schlange.
Conina blinzelte.
    »Was für ein Hut?« erkundigte sie sich verwirrt. Und dann: »Oh, der Hut!«
    »Vermutlich darf ich nicht damit rechnen, daß ihr mir helft, oder?« fragte Rincewind vorsichtig.
    In dem privaten Kosmos, den Conina und Nijel teilten, kam es zu einigen subtilen Veränderungen. Die Rotkehlchen und Drosseln kehrten in ihre Vogelhäuschen zurück; die rosafarbenen Wolken zogen fort; die Musikanten packten ihre Sachen zusammen und gingen, um sich in irgendeinem Nachtklub zu vergnügen. Zumindest ein Teil der Realität kehrte zurück.
    Conina wandte ihren bewundernden Blick von Nijels entzückten Zügen ab, und als sie Rincewind ansah, wichen die Flammen der Leidenschaft aus ihren Augen.
    Nach kurzem Zögern schob sie sich näher an den Zauberer heran und ergriff ihn am Arm.
    »Sag ihm bloß nicht, wer ich wirklich bin«, hauchte sie in einem beschwörenden Tonfall. »Jungen neigen zu komischen Vorstellungen, wenn Mädchen… Wenn du ihm verrätst, wer mein Vater ist, breche ich dir alle Knochen im…«
    »Dazu habe ich gar keine Zeit«, behauptete Rincewind. »Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, eure Hilfe bei der Suche nach dem Hut in Anspruch zu nehmen.« Er holte tief Luft. »Es ist mir ein Rätsel, warum du ihn so eindrucksvoll findest.«
    »Ich finde ihn nett. Und ich begegne nur selten netten Leuten.«
    »Ja, aber…«
    »Er sieht in unsere Richtung!«
    »Na und? Du hast doch keine Angst vor ihm, oder?«
    »Vielleicht spricht er mich sogar an!«
    Rincewind zwinkerte verwirrt. Nicht zum erstenmal in seinem Leben hatte er das Gefühl, daß ganze Bereiche der menschlichen Erfahrung an ihm vorbeimarschiert waren, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Vorausgesetzt natürlich, menschliche Erfahrungen besaßen Beine und konnten marschieren – solche Vorstellungen verdienten zumindest ein gewisses Maß an Skepsis. Außerdem darf man Erlebnisse nicht mit Inspirationspartikeln vergleichen: Sie müssen erlebt werden, was individuelle Aktivität erfordert.
    Rincewind stellte überrascht fest, daß ihm einige sehr kluge Gedanken durch den Kopf gingen, und er verdrängte sie rasch.
»Warum hast du dich kampflos in den Harem führen lassen?« fragte er.
    »Ich wollte schon immer wissen, was in einem Harem geschieht.« Kurze Stille folgte. »Und?« erkundigte sich Rincewind zaghaft. »Nun, wir saßen alle zusammen, und nach einer Weile kam der Serif herein und sagte, als Neuzugang sei ich an der Reihe. Und dann… Du ahnst nicht, worum er mich bat. Die anderen Frauen meinten,

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