Der Zauberspiegel
Todesreiter, die sie überfallen hatten, befanden sich die Rebellen im Besitz einer unerwartet hohen Anzahl von Pferden.
Juliane und Kalira gesellten sich zu einigen anderen und halfen, eines der Zelte für die Nacht aufzustellen. Es wurde kaum mehr geredet als erforderlich, doch die Gesichter der Rebellen leuchteten voller Hoffnung und Zuversicht. Hoffnung auf die Freiheit, ein Leben ohne Angst und Tyrannei. Die Sehnsucht nach ihrem alten Leben. Zuversicht auf den positiven Ausgang der bevorstehenden Schlacht.
Unwillkürlich fröstelte Juliane. Was wurde eigentlich von ihr erwartet? Dass sie Kloob gegenübertrat und ihn einfach ermordete? So hörte es sich für sie letztendlich an. Sie war immun gegen Zauberei, also lief es vermutlich auf einen Zweikampf hinaus. In ihrer Vorstellung war Kloob ein bösartiger, verschrumpelter Bücherwurm, der unfähig sein würde, ein Schwert zu benutzen. Würde sie Kloob wirklich töten können? Er war doch ein menschliches Wesen, trotz seines bösen Herzens, trotz der Gräueltaten, die er seinen Soldaten auftrug.
Hatte er sein von den Göttern gegebenes Recht auf Leben und darauf, dieses zu gestalten, wie es ihm beliebte, verwirkt?
Wie mochte er wohl sein? Durch und durch böse und verdorben? Wurde er von purem Egoismus getrieben? Ihre Gedankengänge gefielen ihr nicht, doch sie konnte auch nichts dagegen unternehmen. Immer wieder brachen sie an die Oberfläche wie Korken, die man unter Wasser zu drücken versuchte.
Mittlerweile hockte sie mit den anderen an einem Lagerfeuer und kaute auf einem zähen Stück gepökelten Fleisches herum. Müde rieb sie sich die Nase und beobachtete ihre Gefährten.
Kalira schmiegte sich eng an Ranon. Sie starrte mit gleichmütiger Miene in die Runde, als wäre es immer so gewesen, dass sie und Ranon sich nahestanden.
Ranon, der ewige Optimist, flüsterte lächelnd auf Kalira ein, die seine Bemerkung mit verliebten Blicken quittierte.
An Julianes rechter Seite saß Aran. Er hatte den ganzen Tag kaum ein Wort gesagt und wenn, dann klang er einsilbig und kurz angebunden. Juliane versuchte, mit ihrem Bewusstsein nach seinen Gedanken zu tasten und hatte tatsächlich Erfolg. Für einen Moment konnte sie fühlen, wie ihr Verstand den Arans streifte. Doch sie erkannte nichts, nur ein Gefühl der Unsicherheit blieb zurück. Er verbarg seine Gedanken vor ihr. Traurig begriff sie, dass er versuchte, sie auszuschließen. Ihre Blicke trafen sich und sie spürte Arans Furcht und Seelenpein.
Sie schenkte ihm ein Lächeln und er erwiderte es. Das Lächeln aus seinen Augen war berauschend. Für einen Moment fühlte sie ein Beben und Vibrieren in der Luft, dessen Intensität ihr fast den Atem verschlug.
Juliane zog die Decke näher an sich heran. Mit einem stummen Fluch auf den Lippen drehte sie sich auf die Seite und rollte sich zusammen wie ein Igel.
Kälte, Nässe, Dreck und eine Gruppe liebenswerter Menschen, die für ihre Freiheit in den Tod rannten, hatten sie in diese Lage gebracht, dachte sie, während sie feststellte, dass ihr die ungewohnte zusammengekrümmte Stellung tatsächlich Linderung von der Kälte verschaffte.
Einer der Rebellen, der mit Juliane, Kalira, Ranon und Aran das Zelt teilte, begann leise zu schnarchen. Unter diesem monotonen Röcheln schlief sie ebenfalls ein.
Irgendwann in der Nacht erwachte sie, weil ihr Arm schmerzte. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war, dann erkannte sie Aran, der auf ihrem Arm lag und so nah neben ihr ruhte, dass sich ihre Körper berührten. Die Wärme, die er ausstrahlte, wirkte tröstlich. Er musste im Schlaf die Nähe zu ihr gesucht haben.
Vorsichtig zog sie den Arm unter Aran hervor. Sie überlegte, ob sie von ihm abrücken sollte, doch sie verwarf den Gedanken fast sofort. Es war kalt und sie lagen nicht allein in dem Zelt. Es war eng.
Außerdem war der Gedanke für sie einfach zu verlockend, an Aran gekuschelt weiterzuschlafen, und so rutschte sie ein Stück näher an ihn heran.
Sein Atem streifte ihr Ohr und sie konnte nicht nur seine Wärme, sondern auch seinen Körper allzu deutlich spüren. Ihr Herz klopfte schneller. Noch nie zuvor war sie einem Mann so nah gekommen wie Aran. Und automatisch fragte sie sich, ob es mit einem anderen so sein könnte wie mit ihm. Ob die Gefühle einem anderen gegenüber sich ähnlich entwickeln könnten.
Sie musterte Aran. Sie waren eins. Ohne den anderen waren sie nicht vollständig. Was auch immer geschehen würde, das Band, die Liebe, die
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