Der Zauberspiegel
meine Mutter möchte mit dir sprechen.«
Juliane nickte. »Okay. Wo finde ich sie?«
Juliane blieb vor dem Vorhang stehen und fragte, ob sie eintreten dürfe. Erst nach Aufforderung schob sie das Tuch beiseite und betrat den Raum. Kaliras Mutter saß auf einem Lehnstuhl neben dem Bett und erwartete sie bereits.
»Gut, dass du kommst, ich wollte dich gerade suchen gehen«, sagte Elyna.
Unruhig, als hätte sie Verbotenes vor, drehte Elyna einen großen Schlüssel in den Händen. Juliane fiel zum ersten Mal auf, wie fremd Elyna in dieser Umgebung wirkte. Sie gehörte nicht hierher, sondern in einen Palast mit Dienstboten, die nur darauf warteten, ihre Wünsche zu erfüllen.
»Ich habe ein Geschenk für dich.«
»Für mich?«
Elyna reichte ihr den Schlüssel, mit dem sie gerade noch gespielt hatte. »Er passt zu der wuchtigen Truhe am Fußende des Bettes. Öffne sie bitte.«
Gehorsam tat Juliane wie ihr geheißen. Sie schob den Schlüssel in das rostige Schloss und versuchte, ihn herumzudrehen. Nach einigem Rütteln und Drücken ließ sich die Kiste aufsperren. Anscheinend war die Truhe sehr lange nicht mehr geöffnet worden. Juliane stemmte den schweren Deckel hoch und ein muffiger Geruch schlug ihr wie zur Bestätigung ihres Verdachts entgegen.
Obenauf in der Truhe lag ein prächtiges Schwert. Die lange Klinge trug fremdartige Zeichen und auf dem verzierten Knauf saß ein Rubin, der verheißungsvoll funkelte. Unter der Waffe befand sich eine versilberte Rüstung mit vergoldeten Rändern und Kanten. Aus derselben Quelle, die ihr die Kenntnisse um Zadieyek zutrug, wusste Juliane, dass die ziselierten Zeichen auf der Rüstung uralte Segenssprüche waren.
Eine Stimme aus einer längst verloren geglaubten Erinnerung schwebte empor. »Dies, Erbin der Amazonenkrone, ist deine Rüstung. Lang lebe die Hüterin der Amazonenkrone. Lang lebe Königin Zadieyek!«
Die Rüstung war ihrem Schwert nachempfunden. Juliane fröstelte.
Sie erkannte beides wieder. Irgendwie überlebten diese Besitztümer Zadieyeks die Jahrhunderte. Ihr Schatten schien sie zu verfolgen, wohin sie auch ging. Sie wollte nichts von Zadieyeks ehemaligem Besitz. Egal, wie schön diese Rüstung auch war, ganz gleich, wie nett Elyna es meinte. Sie wollte nicht die Kopie einer seit Jahrhunderten von Würmern zerfressenen Königin sein.
Amazonen verbrennen ihre Toten. Juliane schob die Information beiseite. Sie biss sich so fest auf die Innenseite ihrer Wange, dass sie Blut schmeckte. »Elyna, dieses Geschenk kann ich nicht annehmen. Es ist viel zu kostbar. Sie gebührt dir oder Kalira. Diese Rüstung steht mir nicht zu. Auf keinen Fall.«
»O doch, Juliane! Du bist die Auserwählte. Diese Rüstung gehört dir. Nur du hast das Recht, sie zu tragen«, erklärte Elyna bestimmt. Sie glich mehr denn je einer kampfbereiten Löwin. Juliane wagte nicht, ihr zu widersprechen. Vielleicht würde ihr später einfallen, wie sie das Tragen des Panzerkleids umgehen konnte.
Gedankenverloren ließ sie ihre Finger über das kühle Metall streichen, das Material erwärmte sich unter ihren Fingerspitzen. Ein Wispern, begleitet von bunten Lichtern, die vor ihrem Sichtfeld tanzten, erfüllte ihren Geist. Sie zog ihre Hand zurück und das Raunen verstummte. Ihr Blick klärte sich. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sagte sie schließlich.
Elyna lächelte zufrieden. »Dann sag nichts und trag die Rüstung mit der Gewissheit, dass du Kloob besiegen wirst!«
14. Kapitel – Eine Warnung
K alt und schneidend blies der Wind durch die Berge und jagte die Schneeflocken zu einem wilden Tanz auf. Das Versteck in den Bergen hatten sie rasch geräumt und verließen nun die Blauen Berge. Einzelne Rebellen würden in Teile des Reiches ziehen und die Nachricht von der Befreiung Moiras und Ankunft der Auserwählten verkünden.
Der Rückhalt in der Bevölkerung für Kloob und seine Todesreiter war schwindend gering. Elyna und Rael hatten versucht, Juliane davon zu überzeugen, dass diese Nachricht unter den Menschen etwas bewirken würde. Kloobs Kräfte würden empfindlich gestört. Obendrein schlössen sich ihrem Feldzug gen Burg weitere Unterstützer und Kämpfer an, sodass den Todesreitern klar werden würde, dass sie es mit einer Übermacht zu tun bekämen, sollten sie den Kampf wagen.
Juliane hielt diese Ausführungen für äußerst gewagt, wenn nicht gar hirnrissig. Sie an Kloobs Stelle würde sich in der Burg mit Vorräten verschanzen, bis die Belagerer
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