Der Zauberspiegel
wissen.
Unvermittelt zog Aran sie an sich. »Ich möchte es, aber ich kann nicht«, murmelte er. Er drückte sie fester an sich und versenkte sein Gesicht in ihrem Haar. Er sog den Duft ihrer Haare ein und lockerte seine Umarmung.
Juliane hob den Kopf und blickte Aran in die Augen. Sie waren von samtiger Schwärze und doch lag ein Leuchten in ihnen, das sie einzuhüllen schien. Sie fühlte sich beschützt und geborgen in seinen Armen und kuschelte sich an seine breite Brust. »Warum?«, fragte sie. Als Aran sein Schweigen nicht brach, sah sie auf und suchte seinen Blick. »Aran, warum willst du so sein?«
»Weil es dann leichter ist«, flüsterte er.
Juliane runzelte die Stirn und Aran fühlte sich offenbar bemüßigt, es ihr zu erklären. »Du wirst in deine Welt zurückkehren, wenn deine Aufgabe hier erledigt ist. Ich will dir den Abschied erleichtern.«
»Ich werde nicht gehen«, entgegnete sie und panische Furcht stieg in ihr auf. Sie wollte nie wieder in ihre Welt zurück. Was sollte sie dort? Sie gehörte hierher. Zu Aran, Kalira, Ranon und Moira. In ihrer Welt war sie nur ein unbedeutender Niemand, ein Nichts ohne echte Familie, aber hier in Goryydon besaß sie eine Familie. Sie besäße nicht die Kraft, die Trennung von ihren Freunden zu ertragen.
Aran schüttelte den Kopf. »Du wirst gehen«, beharrte er.
»Ich kann nicht«, erklärte Juliane. »Weißt du etwas? Hast du gesehen, dass ich zurückkehren werde?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich sehe die Zukunft nicht, aber ich kenne dich. Du bist stark und mutig. Du wirst auch in deiner Welt deinen Weg finden.«
Juliane drückte sich an Aran. »Was wird aus dir, wenn ich nicht mehr hier bin?«
Lange Zeit schwieg Aran und Juliane dachte schon, er würde ihr keine Antwort geben.
»Manchmal reicht ein Augenblick wahrer Liebe, um alles zu verändern.« Aran strich ihr einige Strähnen aus dem Gesicht und musterte sie, als müsste er sich jede Einzelheit ins Gedächtnis einbrennen. »Du hast mein Herz berührt, Juliane. Mein Leben wird nie wieder so sein wie vorher. Ich kann den Hass, der bisher meine Handlungen bestimmte, kaum mehr spüren.« Aran erstarrte plötzlich und schob Juliane schützend hinter sich.
»Was ist los?«, wisperte sie. Aus der Dunkelheit lösten sich mehrere schlicht gekleidete Gestalten. Sie waren bewaffnet. Drei der Männer führten Heugabeln mit sich.
Aran zog sein Schwert und machte einen Schritt auf die Gruppe zu. »Bleibt, wo ihr seid«, befahl er.
Fasziniert bewunderte Juliane Arans blitzschnelle Verwandlung in einen kampfbereiten Krieger. Seine Miene war bewegungslos, jeder seiner Muskeln gespannt und seine Aufmerksamkeit war auf die Männer gerichtet.
»Was wollt ihr?«, fragte Aran.
Einer der Bauern trat vor, hielt aber erschrocken in seiner Bewegung inne, als Aran das Schwert hob.
»Wir wollen mit Moira oder der Auserwählten reden«, forderte der Vorgetretene.
Juliane zeigte sich und grüßte die Männer mit einem angedeuteten Kopfnicken. »Was wollt ihr von mir?«
Die Bauern sahen sich verwirrt und skeptisch an. Der Sprecher der Gruppe überwand seine Überraschung als Erster. »Ein Fremder kam in unser Dorf und berichtete, ihr würdet gegen Kloob in die Schlacht ziehen. Wir möchten uns eurem Kampf gegen Kloob und seine Schergen anschließen.«
Juliane öffnete den Mund, doch kein Laut drang hervor. Sie räusperte die Panik fort. »Da habt ihr etwas missverstanden«, widersprach sie schließlich. »Ich werde mich Kloob im Zweikampf stellen. Es wird keinen Krieg geben!«
Die Männer starrten sie verwirrt an. Bestimmt waren sie nicht gewohnt, dass ihnen ein Mädchen so offen und selbstbewusst gegenübertrat. Sie musste nicht anders wirken als ein Dorfmädchen, nur die Art ihrer Kleider und ihre Waffen unterschieden sie von einem solchen.
Der Wortführer nickte, doch Juliane sah ihm deutlich an, dass er ihre Erklärung nicht verstand oder nicht verstehen wollte.
Juliane legte ihre Hand auf Arans Schwertarm. »Nimm bitte dein Schwert hinunter«, bat sie und fügte hinzu: »Ich werde Elyna oder Moira holen.«
*
Aran war froh. Sie hatten wertvolle Verbündete hinzugewonnen. Die Gruppe bestand aus Knechten und heimatlosen Bauern, die geradezu darauf brannten, gegen die Todesreiter in den Kampf zu ziehen. Fast jeder von ihnen hatte Besitz oder Familienmitglieder durch die Soldaten verloren und die meisten konnten es kaum erwarten, sich zu rächen.
Die Rebellen trennten nur noch wenige Tagesreisen von der
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