Der Zauberspiegel
sie. Der wenige Sauerstoff in ihren Lungen verbrauchte sich rasend schnell. Doch sie verspürte keinen Schmerz und kein Bedauern über den Tod, der sie ereilen würde. Sie entrann dem Schicksal, das ihr die Todesreiter zugedacht hätten. Der schwere Brustpanzer zog sie immer schneller in die Tiefe. Von irgendwoher drang eine leichte, süße Melodie an ihre Ohren, die sie zum Lächeln brachte.
So ist es also, wenn man ertrinkt, dachte sie ruhig.
Etwas großes Dunkles näherte sich ihr mit hektischen Bewegungen. Eine Hand griff nach ihr und sie versuchte, die Arme emporzustrecken, doch ihr fehlte die Kraft.
*
Aran fühlte Julianes Körper erschlaffen und beeilte sich, an die Wasseroberfläche zurückzugelangen. Schwimmen hatte nie zu seinen bevorzugten Beschäftigungen gehört, doch sein Ziehvater hatte das Wasser geliebt und er hatte Aran Schwimmen gelehrt. Nun war Aran dankbar darum, denn es erwies sich als schwierig, einen anderen zu halten, nicht unterzugehen und obendrein das Ufer zu erreichen. Die Oberfläche reflektierte die Sonnenstrahlen, ein Glück, denn offensichtlich hinderte dies die Soldaten daran, ihn und Juliane im Wasser auszumachen. Langsam wurde Aran die Luft knapp, doch vor ihm tauchte bereits das morastige Ufer auf. Ranon und einige andere erwarteten ihn auf ihren Pferden sitzend und gaben ihm Rückendeckung, als er sich, Juliane auf den Armen, durch den Schlamm watend aus dem Wasser schleppte. Sie schossen mit den Armbrüsten auf die Soldaten, die den Beschuss erwiderten, doch nicht sonderlich erfolgreich waren, da die Rebellen umherritten und damit keine ruhigen Ziele abgaben. Moira hatte einen starken Wind heraufbeschworen, der die Bolzen ablenkte. Die Reiter sorgten durch ihre Bewegungen dafür, dass die Versuche der Todesreiter zu treffen, zusätzlich erschwert wurden, damit Juliane in Sicherheit gebracht werden konnte.
Aran trug sie ans Ufer und warf sie über den Pferderücken. Er sprang in den Sattel und galoppierte außer Reichweite der Pfeile. Einer der Bolzen prallte am Metall seiner Rüstung ab und Aran gab seinem Tier die Sporen, zwang es, schneller zu reiten. Er konnte ihren Geist fühlen, ein leichtes Kitzeln in seinem Verstand. Am Rand des Wäldchens zügelte er seinen Rappen, legte seine Hand auf Julianes Rücken und stieg ab. Hände streckten sich ihm helfend entgegen, doch er beachtete sie nicht, hob Juliane vom Pferd und drückte sie an sich. Sie war federleicht, nass und kalt. Sanft legte er Juliane auf die Erde.
Juliane war bleich und ruhig wie eine Tote, doch Aran konnte spüren, dass noch Leben in ihr war, auch wenn sie nicht mehr zu atmen schien. Als er sich zu ihr beugte und ihre Fesseln durchschnitt, berührte ihn Moira an der Schulter.
Moira bückte sich über Juliane und begann, eine Stelle auf ihrer Brust zu massieren. Nach wenigen Augenblicken zeigte Moiras Tun Wirkung und Juliane spie Wasser aus. Sie krümmte sich, hustete gequält und verzog angewidert das Gesicht.
Aran ließ sich neben ihr auf die Knie sinken. Er legte die Hand auf ihre Schulter. Gern hätte er ihre Wange gestreichelt, doch im Anbetracht der vielen Zuschauer, die sie umringten, verzichtete er darauf, strich ihr lediglich Haare aus dem Gesicht und musterte sie intensiv.
Obwohl zahlreiche Leute um ihn herumstanden, flüsterten und sich bewegten, Windrauschen aus den Baumwipfeln des Wäldchens sich mit dem Gezwitscher einzelner Vögel mischte und irgendein Pferd schnaubte und wieherte, nahm Aran nichts weiter wahr als Julianes schweren Atem, sah nur ihre blauen Augen, beschattet von Augenringen und die blutleeren Lippen. Die Haut ihres Halses überzog sich mit Gänsehaut und sie zitterte.
Aran rieb über ihre Arme. »Du frierst. Sie braucht trockene Kleider, rasch!«
*
Juliane sah hoch, während Aran trockene Klamotten für sie forderte und erkannte, dass die unzähligen Augenpaare der anderen auf ihr ruhten, allen voran die ängstlich-besorgten Blicke ihrer engsten Freunde. Ihr war übel und in ihrem Mund lag der Geschmack von Brackwasser und Algen. Nie wieder würde sie Fisch essen! Sie leckte sich über die Lippen und strich sich über das Haar. Ihre Kleider klebten an ihrem Körper und sie ließ zu, dass Aran hinter sie griff und ihren Brustpanzer löste. Sofort fiel ihr das Atmen leichter, doch das zittrige Gefühl blieb zurück. Sie holte bebend Luft und brachte ein schiefes Grinsen zustande.
»Das war großartig! Werd ich wiederholen«, behauptete sie, während sie
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