Der Zauberspiegel
ein Geschöpf unseres Meisters.«
»Aber, wie ist das möglich?«, stotterte sie, gewillt Zeit zu schinden, bis ihr etwas einfiel. Konnte Moira vielleicht ein schreckliches Unwetter hereinbrechen lassen, damit sie sich befreien konnte? Nein, sie erinnerte sich, dass Moiras eigener Schutzbann über die Burgmauern vor so vielen Jahren genau dies verhinderte. Wäre Moira im Besitz von Drachenblut, könnte sie den Bann aufheben, so aber gab es nur eine Möglickeit für Moira, Zauber auszusprechen: Sie musste sich im Inneren der Burg befinden. Als einziger Vorteil erwies sich, dass Kloob wiederum unfähig war, Bänne und Flüche über die Rebellen zu sprechen, solange er nicht den Schutz dieser Mauern verließ.
Iorgen grinste breit. »Kloob ist mächtiger als du zu glauben scheinst. Ihr habt keine Chance gegen ihn.«
Juliane zerrte an ihren Fesseln und versuchte, sich dem Griff der Soldaten zu entwinden, die sie rechts und links festhielten. Ihren Befreiungsversuchen begegneten die Todesreiter mit festerem Zupacken.
»Es hat keinen Zweck, Kind«, erklärte Iorgen lispelnd. »Du kommst hier nicht mehr raus.«
Niedergeschlagen musste Juliane sich eingestehen, dass der Anführer der Soldaten recht hatte. Selbst wenn sie den Todesreitern entkommen konnte, so war sie immer noch in der Burg gefangen. Fluchtwege waren Juliane nicht bekannt. Sie war verloren. Sie schluckte und weigerte sich, diesen Gedanken als Tatsache zu akzeptieren. Sie konnte im Moment nichts ausrichten. Die Soldaten schleppten sie die Treppen zu den Zinnen hinauf.
Sie überlegte verzweifelt, was die anderen täten, wenn sie an ihrer Stelle wären. Als die Soldaten mit ihr auf der Brüstung angekommen waren, hatte Juliane beschlossen, so zu tun, als wäre sie halb wahnsinnig vor Angst, was ihr nicht einmal besonders schwer fiel. Sie hatte Panik. Entsetzliche Angst, doch es lähmte weder ihren Geist noch machte es sie bewegungsunfähig. Silbriges Licht stieg aus ihrem Inneren auf, umschmeichelte sie und legte sich beruhigend über sie. Sie fühlte, wie das Band sich spannte und an seinem Ende befand sich Aran. Einen Moment verlor sie sich in dem telepathischen Kontakt, sie fühlte sich unkonzentriert und es bedurfte einiger Anstrengung, sich zu fokussieren.
Juliane, bist du unverletzt? , klang Arans Stimme in ihrem Geist.
Die Unfähigkeit, ihre Gedankenkraft zielgerichtet einzusetzen, trieb ihr Zornestränen in die Augen. Sie ließ sie ungehemmt kullern, sollten die Soldaten denken, sie wäre hysterisch.
Iorgen stieß sie an den Rand der Mauer. Hinter dem General erschien das Wesen in Trians Gestalt.
Iorgen stieß Juliane vor und packte sie grob an den Haaren. Das Reißen verursachte eisigen Schmerz in ihrem Kopf. Sie wimmerte, während sie gleichzeitig versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Im gleichen Maße, wie sie zusammensank, plusterte sich der kleine General auf. Sein Ego glich dem eines Riesen und Juliane sah eine kleine, eine schwindend geringe Chance, diesen Umstand für sich zu nutzen.
Iorgens übermächtiges Ego ließ ihn unaufmerksamer sein, als gut für ihn und seine Spießgesellen war. Er schien sich seiner Überlegenheit nur allzu sicher. Sie ahnte, dass es ihr tatsächlich gelingen konnte, den Todesreitern zu entkommen, und sprang auf die Brüstung. Sie verschwendete keinen Gedanken daran, wie waghalsig ihre Aktion war, sie konnte nur daran denken, dass dies ihre einzige Gelegenheit war, sich wieder aus der Hand von Kloobs Männern zu befreien. Jetzt!
Sie hoffte, dass der Burggraben für ihr Vorhaben tief genug war.
Iorgen und ein Soldat griffen gleichzeitig nach ihr, doch keiner der beiden war schnell genug, um ihren Sprung zu verhindern. Der Todesreiter verlor das Gleichgewicht und stürzte mit ihr in die Tiefe.
Obwohl der Sturz nur wenige Sekunden dauerte, erschien es Juliane, als würden Ewigkeiten vergehen. Sie vernahm das Knirschen, als das Genick des Soldaten brach, nachdem er gegen die Burgmauer prallte. Durch ihren Kopf schallte das erschrockene Stimmengewirr der Rebellen und unter ihnen ein halberstickter Ruf, der Arans Geist entwichen war. Sie nahm das hektische Treiben der Soldaten auf der Burgwehr wahr, während sie erfolglos an ihren Handfesseln zerrte. Das Leder würde sich im Wasser enger zusammenziehen, fiel ihr ein, während sie mit Wucht auf der Wasseroberfläche aufkam. Das Wasser spritzte wie eine Fontäne empor, dann schlugen die Wogen über ihr zusammen.
Schwarzes Wasser und Totenstille umfingen
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