Der Zauberspiegel
in ihr auf. Was, wenn die Betrüger zu Betrogenen wurden? Wenn ihr Plan fehlschlug? Zwar hatten sie ausgemacht, die Rebellen würden in bestimmten Fällen einen Angriff auf die Burg wagen, doch es konnte so vieles eintreten, an das sie überhaupt nicht gedacht hatten.
Juliane schluckte die Übelkeit hinunter. Sie war so weit gegangen, sie konnte nicht zurück, konnte nicht aufgeben. Kaliras Lächeln lag milde auf ihrem Gesicht und es war ein ungewohnter Anblick für Juliane, dieses Lächeln auf diesem Gesicht zu sehen.
Sie hatten die Burgmauern zu ihrer Rechten. Links gab es einen Hügel, breit und hoch genug, einige wenige Reiter zu verbergen. Wie immer drangen im unpassendsten Moment Gedanken Fremder in sie ein. Es waren gehässige Gedanken von Menschen, die außer Gehorsam keine Intention besaßen. Juliane biss sich auf die Lippe, unterdrückte den Wunsch zu fliehen und kam nicht gegen den Reflex an, Staubwolke wenden zu lassen, nur, um sich wie von Geisterhand von Soldaten umringt zu sehen.
Die Augen Iorgens blitzten spöttisch. »Ich wusste, dass es kein Abschied für immer sein würde. Ich hoffe, du hast dein Bad im Burggraben genossen?«, fragte er süffisant.
»Ganz sicher war es bei Weitem angenehmer, als deine Visage anstarren zu müssen«, schleuderte sie ihm entgegen.
Kalira wurde schon fast beschützend von zwei Soldaten in die Mitte genommen. Juliane hoffte, betroffen und entsetzt zu wirken, und die Soldaten und Iorgen zu täuschen. »Kalira, was bedeutet das?«
Kalira beruhigte ihr Pferd mit graziös wirkendem Klopfen auf den Hals, als dieses unruhig zu tänzeln begann. »Ich mag nicht länger wie Vieh in Höhlen hausen. Ich wurde zur Königin geboren!«
Juliane kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie in Wirklichkeit nie so reagiert hätte. Doch die Soldaten hielten ihre Bestürzung für echt. »Du hast mich in eine Falle gelockt? Du hast mich an diese … Schweine verkauft? Wie konntest du nur? Ich dachte, wir wären Freundinnen!«
Kalira zuckte anmutig mit den Schultern. »Freundschaft, ein völlig überbewertetes Gefühl, wenn du mich fragst.« Sie strich sich über das Haar.
Iorgen musterte erst Kalira, dann sie feixend. »Kloob will euch sehen und er brennt geradezu darauf, die Auserwählte kennenzulernen.«
Die Soldaten drängten sich nah an Juliane. Einer der Todesreiter griff sich Staubwolkes Zügel und führte den widerspenstig wiehernden Wallach mit sich. Dicht um sie gedrängt und im Schutz der Finsternis brachten die Todesreiter sie ins Innere der Burg. Mit dem Wissen, dass die Burgmauern mit Drachenblut und Zaubersprüchen getränkt waren, achtete Juliane auf ihre Empfindungen beim Überschreiten der Pforte, doch sie musste erkennen, dass sie nicht ein Quentchen Magie wahrnahm. Dafür spürte sie die Anspannung der Anwesenden.
Im Innenhof wurde sie grob aus dem Sattel gezerrt. Jemand versetzte ihr einen Stoß in den Rücken und sie prallte mit der Wange an die Burgmauer. Lähmender Schmerz schoß durch ihren Kiefer und vernebelte einen Moment lang ihren Blick. Jemand suchte sie gezielt nach Waffen ab. Noch ehe sie reagieren konnte, war die Leibesvisitation beendet. Erst jetzt konnte sie ihren Blick über den Burghof schweifen lassen. Ein langes Gebäude zu ihrer Rechten veranlasste sie durch Essendünste, die aus den offen stehenden Fenstern drangen, zu der Vermutung, dass es sich um das Küchengebäude handelte. Dahinter waren Tierlaute zu vernehmen. Offensichtlich leistete man sich einen Bauernhof im Inneren der Schutzmauern. Im Dunkeln erkannte Juliane einige Türme und Lagergebäude, auf den Zinnen marschierten Todesreiter auf und ab und einige Fenster wurden von flackernden Lichtern erhellt.
Ein Turm, hoch wie die Burgmauer, erhob sich im Hof. Juliane schluckte und Furcht kroch ihr über den Rücken, sie fühlte die Gänsehaut am Stoff ihres Hemdes reiben.
»Darf ich die Damen bitten?« Iorgen öffnete die verwitterte Tür und der Eingang öffnete sich knarrend.
»Habe ich denn eine Wahl?«, schnappte sie, ignorierte das Pochen in ihrem Kiefer, das Brennen der aufgeschürften Haut und versuchte, die Hand des Todesreiters abzuschütteln, der sie an der Schulter gepackt hielt. Sie sah nach hinten und erhaschte einen Blick auf Kalira, die ihr flankiert von zwei Häschern Kloobs folgte. Kaliras Miene wirkte konzentriert.
Julianes Herz hämmerte wie wild vor Angst und Nervosität und fast glaubte sie, dass man das Klopfen durch das Metall ihrer Rüstung hören könnte.
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