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Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Titel: Der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Carver
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nur seine Augen erkennen.
    »Das ist dann ein Abschied für immer«, flüsterte er.
    Seine Stimme wirkte wie Honig, war süß und stärkend, und Juliane rieselten wohlige Schauder über den Rücken. Sie kannte diese Stimme, sie hatte sie schon unzählige Male gehört. Er war ihr Herz. Ihre Sehnsucht.
    »Nein, der Tod wird die wahre Liebe nicht beenden«, hörte Juliane sich sagen, doch es war eine fremde Stimme, rau und kehlig. »Denke an dein Versprechen, Liebster.«
    »Nichts ist vergessen, Zadieyek«, entgegnete der junge Mann.
    Heiße Liebe erfüllte sie. Die brennende Sehnsucht, eins zu sein mit ihm, verbunden bis in alle Ewigkeit und über Raum und Zeit hinaus, machten sie schier schwindlig. Das Verlangen nach einem glücklichen Leben mit ihm wurde übermächtig und gleichzeitig drückte sie das Wissen nieder, dass genau das nie eintreffen würde …
     
    Juliane erwachte mit tränenfeuchten Wangen.
    Warum träumte sie von Zadieyek? Und weshalb war sie sicher, dass die Träume Zadieyeks Erinnerungen widerspiegelten? Noch immer brannten die Gefühle Zadieyeks in ihrer Seele. Diese unendlich große Leidenschaft, die diese Frau ausgemacht hatte. Wehmütig schüttelte sie den Kopf, verbannte die Amazonenkönigin aus ihrem Gedächtnis und richtete sich auf. Froh, wieder ganz sie selbst zu sein, rieb sie sich den Schlaf aus den Augen.
    Sonnenschein sickerte durch die Ritzen der Bretter an den Scheunenwänden. In den goldenen Streifen aus Sommerlicht tanzten Staubfunken. Von draußen mischte sich das Muhen von Kühen mit dem Gackern von Hühnern und dem Grunzen von Schweinen.
    Sie kletterte vom Heuboden und linste durch ein Astloch in der Bretterwand zur Hofseite. Erschrocken zuckte sie zurück, als sie einen Todesreiter erkannte, der mit einer drallen Blondine redete. Sie konnte kein Wort verstehen, doch der Gesichtsausdruck der Frau verhieß nichts Gutes. Der Todesreiter schüttelte drohend die Faust und die Bäuerin nickte eingeschüchtert.
    Juliane wandte sich ab und blickte sich nach einer Waffe um. Eine Mistgabel. Sie griff danach.
    Das Scheunentor öffnete sich ein Stück weit und die Bäuerin schob sich herein. Ihr Blick fiel sofort auf Juliane. Sie hob die Mistgabel. »Keinen Laut!«
    »Leg das weg. Ich bin Kuri.« Wie jung sie ist. Und so schmächtig. Ist sie diejenige, die die Todesreiter suchen?
    Juliane zögerte einen Augenblick. Die Frau wirkte vertrauenerweckend und im Gegensatz zu vorhin kein bisschen verängstigt.
    »Ist der Soldat weg?«, erkundigte sich Juliane.
    »Ja.«
    Sie senkte die Mistgabel und erinnerte sich, dass Ranon ihr die Namen Kuri und Vendell genannt hatte.
    »Ich bin Juliane«, sagte sie. »Ranon schickt mich.«
    »Er lebt?«
    Juliane nickte.
    »Den Göttern sei Dank! Als der Todesreiter sagte, alle auf Yorims Hof seien tot …« Kuri seufzte und warf ihr einen forschenden Blick zu. »Du bist das Mädchen, das sie suchen. Ranon war bei dir?«
    »Ja. Woher weißt du von mir?«
    Sie lachte hart auf. »Das krächzen die Raben von den Tannenspitzen, Mädchen.« Ihre Mimik veränderte sich. »Die Schwarzen behaupten, ihr beide hättet die Bewohner des Bauernhofes ermordet.«
    Juliane keuchte entsetzt.
    »Keine Sorge, ich glaube den Halunken kein Wort. Es ist nicht das erste Mal, dass sie ihre Schandtaten jemand anderem zuschreiben.« Kuris Stimme klang verbittert. Sie strich sich die Haare zurück. »Versteck dich. Ich komme zurück und bringe dir zu essen.« Kuri ging zu dem großen Fass neben dem Scheunentor und schaufelte ein paar Handvoll Korn in ihre Schürze, ehe sie den Schober verließ.
    Juliane verzog sich auf den Heuboden. Wie mochte es Ranon ergangen sein? Hatten ihn die Todesreiter geschnappt? Zwei Mal hatte er ihr das Leben gerettet und sie wusste nicht einmal, wer er wirklich war. Bestimmt kein gewöhnlicher Knecht, er hatte die Armbrust bedient wie ein Soldat und das Schwert geschwungen wie Aragorn. Das lernte man nicht zwischen Kuhstall und Getreidefeldern.
     
    Als das Scheunentor geöffnet und wieder geschlossen wurde, verhielt sie sich still.
    »Juliane?«, hörte sie Kuris Stimme.
    Erleichtert beugte sie sich vor und erkannte Kuri, die mit einem Weidenkorb unter dem Arm dastand. Sie schwang sich auf die Leiter und kletterte hinunter. Die letzten Sprossen sprang sie.
    Mit einem Lächeln schlug Kuri das Tuch zurück, das über den Korb ausgebreitet war. Ein Stück Brot und etwas gebratenes Fleisch, ein Wasserschlauch und ein Proviantbeutel lagen darin.
    Juliane und

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